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DOI: 10.1055/s-0032-1322047
Studie zur Gesundheit türkeistämmiger Erwachsener im Rahmen der Pretests der Nationalen Kohorte – Erfahrungen aus dem Studienzentrum Berlin-Mitte
Hintergrund: Personen mit türkischem Migrationshintergrund sind in epidemiologischen Gesundheitsstudien bislang nur unzureichend vertreten, da Sprachbarrieren und kulturelle Besonderheiten gesonderte Zugänge und einen hohen logistischen Aufwand erfordern.
Methoden: Im Rahmen einer laufenden Machbarkeitsstudie zur Nationalen Kohorte wird seit Februar 2011 bis voraussichtlich September 2012 vom Robert-Koch-Institut und dem Institut für Sozialmedizin der Charité ein Teilprojekt zur Evaluation von Rekrutierungsstrategien der türkeistämmigen Bevölkerung in Berlin durchgeführt. Es werden 300 Probanden als Random Sample aus dem Einwohnermeldeamt (EMA) Berlins und weitere 300 als Convenience Sample von Freiwilligen nach Informationsmaßnahmen über Vereine und andere Einrichtungen der türkeistämmigen Population in Berlin rekrutiert. Alle Informationsmaterialien stehen auf Deutsch und auf Türkisch zur Verfügung. Die Rekrutierung erfolgt über das RKI, die ermittelten potentiellen Teilnehmer (Zusage per Brief, Fax, E-Mail oder beim Hausbesuch) werden zur Terminvereinbarung für die Untersuchung an die Charité vermittelt. Die Untersuchung beinhaltet eine anthropometrische Messung, eine Blutentnahme, einen Gedächtnistest und das Ausfüllen eines Fragebogens zu soziodemographischen Faktoren, Gesundheitsverhalten und Vorerkrankungen. Die Probanden erhalten eine Aufwandsentschädigung sowie die Ergebnisse der Untersuchungen. Die Studie wurde mit der Ethikkommission und dem Datenschützer der Charité sowie dem Bundesbeauftragten und dem Landesbeauftragten für den Datenschutz in Berlin abgestimmt.
Ergebnisse: Seit dem 14.11.2011 finden Untersuchungen von Probanden aus der EMA-Stichprobe im Untersuchungszentrum der Charité-Mitte statt, seit dem 14.3.2012 werden zu-sätzlich auch Probanden aus der Netzwerkstichprobe untersucht. Bis zum 31.3.2012 wurden 601 Kontaktdaten von potentiellen Teilnehmern an das Studienzentrum der Charité übermittelt, davon 463 über die EMA-Stichprobe, 58 über Netzwerke und 80 „Selbstrekrutierte“ (Bekannte und Angehörige der EMA-Probanden). Nicht inbegriffen die noch nicht bearbeiteten Kontakte (36) und die bereits vereinbarten aber noch ausstehenden Termine (30) werden in die Auswertung 534 Personen eingeschlossen: 422 EMA, 38 Netzwerke sowie 74 „Selbstrekrutierte“. 64 dieser 534 Personen, die dem RKI Ihre Zustimmung zur Teilnahme gegeben hatten, lehnten bei der Kontaktierung durch das Untersuchungszentrum der Charité die Teilnahme ab. 17 der 534 Personen konnten nach dreifachem Kontaktierungsversuch per Telefon nicht erreicht werden. Mit 453 der 534 Personen wurde ein Termin vereinbart: 361 EMA, 36 Netzwerke, 56 „Selbstrekrutierte“, davon erschienen 100 Personen nicht zum Termin, 353 wurden zum 31.3.12 untersucht: 269 EMA, 36 Netzwerke, 48 „Selbstrekrutierte“. Ca. 45% der Probanden baten ausdrücklich um eine Untersuchung bei einem türkischen Studienarzt. Zwei Drittel der Probanden kamen in Begleitung von Angehörigen (meist erwachsene Kinder) oder Bekannten ins Studienzentrum. Es wurden ca. 55% der Fragebögen auf Türkisch ausgefüllt. Ein Drittel der Probanden benötigte Hilfe beim Ausfüllen des Fragebogens. Es deutet sich an, dass die Netzwerkprobanden im Vergleich zu den EMA-Probanden zuverlässiger zu den vereinbarten Terminen erscheinen, jedoch schlechter deutsch sprechen.
Schlussfolgerung: Unsere vorläufige Auswertung lässt trotz intensivierter Rekrutierungsanstrengungen eine deutlich niedrigere Teilnahmebereitschaft an medizinisch-wissenschaftlichen Studien in der Zufallsstichprobe türkeistämmiger Personen vermuten als in der deutschen Allgemeinbevölkerung. Die Netzwerkprobanden scheinen im Gegensatz zur Zufallsstichprobe zuverlässiger beim Einhalten vereinbarter Termine.