Hintergrund: Personen mit türkischem Migrationshintergrund sind in epidemiologischen Gesundheitsstudien
bislang nur unzureichend vertreten, da Sprachbarrieren und kulturelle Besonderheiten
gesonderte Zugänge und einen hohen logistischen Aufwand erfordern.
Methoden: Im Rahmen einer laufenden Machbarkeitsstudie zur Nationalen Kohorte wird seit Februar
2011 bis voraussichtlich September 2012 vom Robert-Koch-Institut und dem Institut
für Sozialmedizin der Charité ein Teilprojekt zur Evaluation von Rekrutierungsstrategien
der türkeistämmigen Bevölkerung in Berlin durchgeführt. Es werden 300 Probanden als
Random Sample aus dem Einwohnermeldeamt (EMA) Berlins und weitere 300 als Convenience
Sample von Freiwilligen nach Informationsmaßnahmen über Vereine und andere Einrichtungen
der türkeistämmigen Population in Berlin rekrutiert. Alle Informationsmaterialien
stehen auf Deutsch und auf Türkisch zur Verfügung. Die Rekrutierung erfolgt über das
RKI, die ermittelten potentiellen Teilnehmer (Zusage per Brief, Fax, E-Mail oder beim
Hausbesuch) werden zur Terminvereinbarung für die Untersuchung an die Charité vermittelt.
Die Untersuchung beinhaltet eine anthropometrische Messung, eine Blutentnahme, einen
Gedächtnistest und das Ausfüllen eines Fragebogens zu soziodemographischen Faktoren,
Gesundheitsverhalten und Vorerkrankungen. Die Probanden erhalten eine Aufwandsentschädigung
sowie die Ergebnisse der Untersuchungen. Die Studie wurde mit der Ethikkommission
und dem Datenschützer der Charité sowie dem Bundesbeauftragten und dem Landesbeauftragten
für den Datenschutz in Berlin abgestimmt.
Ergebnisse: Seit dem 14.11.2011 finden Untersuchungen von Probanden aus der EMA-Stichprobe im
Untersuchungszentrum der Charité-Mitte statt, seit dem 14.3.2012 werden zu-sätzlich
auch Probanden aus der Netzwerkstichprobe untersucht. Bis zum 31.3.2012 wurden 601
Kontaktdaten von potentiellen Teilnehmern an das Studienzentrum der Charité übermittelt,
davon 463 über die EMA-Stichprobe, 58 über Netzwerke und 80 „Selbstrekrutierte“ (Bekannte
und Angehörige der EMA-Probanden). Nicht inbegriffen die noch nicht bearbeiteten Kontakte
(36) und die bereits vereinbarten aber noch ausstehenden Termine (30) werden in die
Auswertung 534 Personen eingeschlossen: 422 EMA, 38 Netzwerke sowie 74 „Selbstrekrutierte“.
64 dieser 534 Personen, die dem RKI Ihre Zustimmung zur Teilnahme gegeben hatten,
lehnten bei der Kontaktierung durch das Untersuchungszentrum der Charité die Teilnahme
ab. 17 der 534 Personen konnten nach dreifachem Kontaktierungsversuch per Telefon
nicht erreicht werden. Mit 453 der 534 Personen wurde ein Termin vereinbart: 361 EMA,
36 Netzwerke, 56 „Selbstrekrutierte“, davon erschienen 100 Personen nicht zum Termin,
353 wurden zum 31.3.12 untersucht: 269 EMA, 36 Netzwerke, 48 „Selbstrekrutierte“.
Ca. 45% der Probanden baten ausdrücklich um eine Untersuchung bei einem türkischen
Studienarzt. Zwei Drittel der Probanden kamen in Begleitung von Angehörigen (meist
erwachsene Kinder) oder Bekannten ins Studienzentrum. Es wurden ca. 55% der Fragebögen
auf Türkisch ausgefüllt. Ein Drittel der Probanden benötigte Hilfe beim Ausfüllen
des Fragebogens. Es deutet sich an, dass die Netzwerkprobanden im Vergleich zu den
EMA-Probanden zuverlässiger zu den vereinbarten Terminen erscheinen, jedoch schlechter
deutsch sprechen.
Schlussfolgerung: Unsere vorläufige Auswertung lässt trotz intensivierter Rekrutierungsanstrengungen
eine deutlich niedrigere Teilnahmebereitschaft an medizinisch-wissenschaftlichen Studien
in der Zufallsstichprobe türkeistämmiger Personen vermuten als in der deutschen Allgemeinbevölkerung.
Die Netzwerkprobanden scheinen im Gegensatz zur Zufallsstichprobe zuverlässiger beim
Einhalten vereinbarter Termine.