Gesundheitswesen 2012; 74 - A43
DOI: 10.1055/s-0032-1322029

Bedeutung von spiritueller Begleitung von Menschen mit Demenz, deren Angehörige und Pflegekräften. Ergebnisse einer Befragung

M Hey 1, G Bagci 1
  • 1Berlin School of Public Health an der Charité

Theoretischer Hintergrund: In Deutschland sind etwa 1,2 Millionen Menschen an einer Demenz erkrankt. Lt. Pflegestatistik werden 46% ausschließlich von Angehörigen zu Hause gepflegt. Studien belegen, dass pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz im Vergleich zu pflegenden Nichtdemenzkranker eine signifikant höhere Belastung haben. Angloamerikanische Studien zeigen, dass Spiritualität eine wichtige Bewältigungsstrategie in der Pflegesituation hat. Bisher wurde in Deutschland die Bedeutung der Spiritualität nur marginal erforscht. Ziel dieser Befragung war, die Bedeutung der Spiritualität bei Betroffenen, deren Angehörige und Pflegekräften zu untersuchen.

Methodik: Anhand eines halbstandardisierten Fragebogens wurden Angehörige und Pflegekräfte schriftlich befragt. Insgesamt haben 72 Institutionen u.a.. Pflegestützpunkte, ambulante Pflegedienste, stationäre Pflegeeinrichtungen und gemeinnützige Organisationen an der Befragung teilgenommen. Es wurden 3101 Fragebögen verschickt. Der Rücklauf betrug 15,3% (Angehörige N=204 Pflegekräfte N=269). Themenkomplexe waren: Bedeutung der Spiritualität, Pflegesituation, Bewältigungsstrategien, Unterstützungsbedarf durch Ehrenamtliche.

Ergebnisse: Für 50% der befragten Angehörigen ist die Pflegesituation eine körperliche und für ca. 80% eine seelische Belastung. Unterstützung erhalten sie hauptsächlich durch professionelle Anbieter oder aus dem Familienkreis. Über 40% gaben an, dass Spiritualität im Pflegealltag eine wichtige Rolle spielt. Rituale wie das Erleben der Natur, Gespräche über den Sinn des Lebens, Beten, Singen wurden genannt. Über 20% haben Interesse an spirituellen und seelsorgerischen Angeboten als Unterstützungsressource. Über 40% können sich vorstellen, dass neben Professionellen auch Ehrenamtliche diese Aufgaben übernehmen können. Auch die Ergebnisse der Befragung bei den Pflegekräften belegen, dass Spiritualität im Pflegealltag eine wichtige Rolle einnimmt. Das Interesse bei Pflegekräften nach weiterer spiritueller Unterstützung war mit 66% höher als bei den Angehörigen.

Diskussion: Aufgrund des demografischen Wandels wird der Pflegebedarf weiter ansteigen. Ob das professionelle System diesen Anforderungen gerecht werden kann ist fraglich. Wie diese Untersuchung zeigte, ist nicht nur die materielle Unterstützung wichtig, sondern auch eine spirituelle Unterstützung. In wie weit Ehrenamtliche diese Aufgabe übernehmen können und wie sie für diese Aufgaben vorbereitet werden können ist zu klären. In diesem Kontext sind auch die Begrifflichkeiten Spiritualität, Religion, Rituale näher zu definieren auch im Hinblick auf ein kultursensibles Pflegekonzept.

Literatur:

Bosworth, H. B., Park, K-S., McQuoid, D. R., Hays, J. C., Steffens, D. C. (2003): The impact of religious practice and religious coping on geriatric depression. In International Journal of Geriatric Psychiatry 18(10), 905–914.

Greasly, P., Chui, L. F., Gartland, M. (2001): The concept of spiritual care in mental health nursing. In: Journal of Advanced Nursing 33(5), 629–637.

Hey, M., Bağcı, G. (2011): Evaluation des Projektes „Unsere Kommune ist demenzfreundlich“.http://bsph.charite.de/forschung/forschungsprojekte/abgeschlossene_projekte/evaluation_des_projektes_unsere_kommune_ist_demenzfreundlich/[Stand: 05.12.2011].

Kirkland, K., Mcllveen, H. (1999): Full Circle: Spiritual therapy for people with dementia. In: American Journal of Alzheimer's Disease and other Dementias 14(4), 245–247.