Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0032-1322022
Evaluation eines Interventionsprogramms zur Prävention motorischer Entwicklungsgefährdungen bei 3- bis 6-Jährigen in Kindertageseinrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern (M-V): Ergebnisse des Modellprojekts „Kinder in Kitas (KiK)“
Hintergrund: Landesweite Ergebnisse der Einschulungsuntersuchungen in M-V belegen eine hohe Prävalenz motorischer Entwicklungsverzögerungen (Schuljahr 2010/2011: 13,7%) [1]. Ziel des Modellprojektes „Kinder in Kitas (KiK)“ war es, motorische Entwicklungsgefährdungen frühzeitig zu erkennen und die Kindertageseinrichtungen beim Einleiten individueller Fördermaßnahmen zu unterstützen.
Methoden: KiK wurde als cluster-randomisierte, prospektive, kontrollierte Studie in 12 Kitas in M-V durchgeführt [2]. Zur Früherkennung von Entwicklungsgefährdungen kam das „Dortmunder Entwicklungsscreening für den Kindergarten DESK 3–6“ zum Einsatz [3]. Ergebnis der DESK-Auswertung sind Stanine-(Standard-Nine)-Normwerte (1=„auffälliger Befund“ 2=„fraglicher Befund“ 3–9=„unauffälliger Befund“). Nach durchschnittlich 11,5 Monaten wurde das Screening wiederholt. Zur Unterstützung kitaspezifischer Fördermaßnahmen erhielten die Kindertageseinrichtungen der Interventionsgruppe (IG n=7 Kitas) ein Übungsprogramm zur Förderung fein- und grobmotorischer Kompetenzen, dessen Inhalte den ErzieherInnen in Schulungen vermittelt wurden. Die Intervention erstreckte sich über fünf Monate und wurde von den ErzieherInnen dokumentiert. Der Kontrollgruppe (KG n=5 Kitas) wurde keine Intervention angeboten. Gruppenunterschiede wurden mittels t-Tests und Chi2-Tests (McNemar), Effektstärken anhand Cohens d analysiert.
Ergebnisse: Insgesamt wurden n=870 Kinder gescreent (Response: 92,4%), n=636 Kinder (53,0% männlich 47,0% weiblich) konnten in die Analyse eingeschlossen werden (Ausschluss bei 1. fehlenden Werten (n=239), 2. chronischer Krankheit/Behinderung (n=32)). Zum Messzeitpunkt t0 lagen keine statistisch signifikanten Unterschiede bezüglich der Screeningwerte zur Fein- (FM) und Grobmotorik (GM) zwischen Kindern der IG (FM: MW=4,22 SD=1,86 GM: MW=5,25 SD=2,01) und der KG (FM: MW=3,97 SD=1,85 GM: MW=4,49 SD=1,97) vor (t-Test: pFM=0,10 pGM=0,61). Sowohl Kinder der IG als auch der KG wiesen zum Messzeitpunkt t1 signifikante Verbesserungen in den Stanine-Mittelwerten fein- und grobmotorischer Kompetenzen auf (t-Test: pIG pKG jeweils <0,01). Während im Bereich Feinmotorik zu t1 kein signifikanter Unterschied zwischen IG (MW=4,78 SD=1,71) und KG (MW=4,73 SD=1,74) festgestellt werden konnte, wiesen Kinder der IG statistisch signifikant höhere Mittelwerte bezüglich ihrer grobmotorischen Kompetenzen auf (MW=5,88 SD=1,68), als Kinder der KG (MW=5,55 SD=1,91) (t-Test: p=0,039). Die Effektstärken sind mit d=0,03 (Feinmotorik) und d=0,18 (Grobmotorik) gering. Der Anteil der Kinder, der zu t0 eine Entwicklungsgefährdung im Bereich Feinmotorik aufwies, konnte zu t1 in der IG von 9,4% auf 5,2% reduziert werden, in der KG von 11,3% auf 6,3%. Die Senkung der Prävalenzen war in der IG statistisch signifikant (Chi2-Test nach McNemar: pIG=0,031 pKG=0,054). Im Bereich Grobmotorik reduzierte sich der Anteil entwicklungsgefährdeter Kinder in der IG signifikant von 6,4% auf 2,4% (Chi2-Test nach McNemar: pIG=0,031). In der KG stieg die Prävalenz grobmotorischer Entwicklungsgefährdungen von 3,6% auf 6,3%, was sich allerdings nicht als statistisch signifikant erwies (Chi2-Test nach McNemar: pKG=0,45).
Diskussion/Schlussfolgerungen: In beiden Kita-Gruppen konnte zwischen zwei Messzeitpunkten ein Anstieg der altersadjustierten fein- und grobmotorischen Kompetenzen der 3- bis 6-Jährigen gezeigt werden. Im Bereich der Grobmotorik ist dieser Anstieg in der IG signifikant höher, was als zusätzlicher Effekt des Interventionsprogramms interpretiert werden kann. Der Kompetenzanstieg in der KG ist möglicherweise auf die Durchführung des DESK-Verfahrens zurückzuführen. Diese kann bereits eine Sensibilisierung für die Thematik der Entwicklungsgefährdungen bewirken und konkrete Hinweise auf pädagogische Handlungsbedarfe aufzeigen. Eine Modifikation des Übungsprogramms sollte hinsichtlich des feinmotorischen Bereichs vorgenommen werden, da hier geringere Effekte erzielt wurden. Zusätzlich müsste der Interventionszeitraum zur Effektsteigerung erweitert werden.
Literatur:
[1] Befunde bei Einschulungsuntersuchungen Mecklenburg-Vorpommern, in % der Untersuchten. Schuljahr 2003–04 bis 2010–11. unter: http://www.regierungmv.de/cms2/Regierungsportal_prod/Regierungsportal/de/sm/Themen/Gesundheit/Gesundheitsberichterstattung/_Indikatoren/(Zugriff: 03.02.2012).
[2] Franze, M., Gottschling, A. & Hoffmann, W. (2010). Das Dortmunder Entwicklungsscreening für den Kindergarten (DESK 3–6) als Basis gezielter individueller Förderung in Kindertageseinrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern: Erste Ergebnisse des Modellprojekts „Kinder in Kitas (KiK)“ zur Akzeptanz des DESK 3–6 bei Erziehenden. Bundesgesundheitsblatt, 5, 1290–1297.
[3] Tröster, H., Flender, J. & Reineke, D. (2004). DESK 3–6. Dortmunder Entwicklungsscreening für den Kindergarten. Göttingen: Hogrefe.