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DOI: 10.1055/s-0032-1322015
Einzelfallevaluation der Familienhebammenarbeit in Hamburg
Seitdem die Standorte von Familienhebammen in Hamburg ausgeweitet wurden, werden alle Betreuungsverfahren zum Abschluss durch die Familienhebamme dokumentiert. Auf dieser Grundlage ist eine Analyse aller Betreuungsfälle und der Arbeit der Familienhebammen von 2006 bis 2011möglich. Dieser quantitative Überblick wird ergänzt durch Erkenntnisse aus Leitfaden-gesteuerten Interviews, die 2010 und 2011 ca. ein halbes Jahr und anderthalb Jahre nach Ende der individuellen Betreuung bei einer kleinen Stichprobe durchgeführt wurden, um Erkenntnisse zur Nachhaltigkeit der gesundheitsbezogenen Lernerfahrungen zu gewinnen.
Die Dokumentation der Familienhebammen beinhaltet demographische Angaben, die individuellen Problemlagen, Aspekte des Betreuungsverfahrens sowie eine Einschätzung zum Hilfebedarf am Ende der Betreuung. Diese Angaben werden deskriptiv ausgewertet. Bei zufällig ausgewählten Frauen wurden Leitfaden gesteuerte Interviews durchgeführt, transkribiert und qualitativ ausgewertet.
Insgesamt liegen 1.484 Evaluationsbögen vor. Die betreuten Frauen waren im Median 27 Jahre alt (Range 12–46), 7% unter 18 Jahre. Für 40% wurde ein Migrationshintergrund angegeben, die häufigsten Herkunftsländer waren die Türkei, Ghana, Afghanistan, Polen und Russland. Fast 90% der Frauen hatten selbst aktiv Kontakt zur Familienhebamme aufgenommen, überwiegend vorgeburtlich (57%) und dem Hinweis eines Kooperationspartners folgend. In der Rangfolge der Problemlagen standen materielle Armut, erhebliche psychische Belastung und Informationsdefizit an erster Stelle.
Die Betreuung dauerte im Median 7 Monate (Range 1–38 Monate) und beinhaltete im Median 13 Hausbesuche (Range 1–130). Der häufigste Kooperationspartner war der Allgemeine Soziale Dienst und andere Hilfen zur Erziehung (50%). Bei den meisten Frauen (87%) konnten nach Einschätzung der Familienhebammen die Kompetenzen und Ressourcen gestärkt werden allerdings wurde auch bei zwei Drittel der Frauen (69%) weiterer Hilfebedarf gesehen. Überwiegend konnte in ein anderes Hilfsangebot weiter vermittelt werden (82%).
Im zeitlichen Verlauf der sechs Beobachtungsjahre sind die meisten Aspekte stabil, allerdings zeigen sich auch Änderungen. Zum Beispiel bei den personenenbezogenen Merkmalen hat der Anteil der Frauen mit Migrationshintergrund von 33% auf 45% zugenommen. Verfahrensmerkmale, die Umfang und Aufwand abbilden, weisen eine positive Tendenz auf, die gezielte Vermittlung der Mütter in private Netzwerke scheint in jüngerer Zeit noch eine größere Rolle zu spielen als in den ersten Jahren. Abgesehen von der standortabhängigen Heterogenität und den zeitlichen Entwicklungen zeigen Zusammenhangsanalysen, dass einzelne fallbezogene Merkmale wie z.B. Fremdbetreuung eines älteren Geschwisterkindes sowohl das Betreuungsverfahren als auch die Situation beim Abschluss prägen.
Diese quantitativen Ergebnisse werden ergänzt mit Beobachtungen aus den Interviews zur allgemeinen Lebenssituation, Ernährung, Entwicklung und Gesundheit des Kindes ein bis zwei Jahre nach Abschluss der Betreuung. Die Interviews mit 23 bzw. 9 Frauen zeigten, dass die Betreuung der Familienhebammen mit der Zeit bei manchen verblasste, aber nicht vergessen wurde und auch rückblickend sehr positiv beurteilt wurde. Die Kommunikation zwischen Baby und Eltern brauchte die Familienhebamme als Dolmetscher, dadurch wurde die Elternkompetenz nachhaltig gestärkt. Im Verlauf der ersten drei Lebensjahre haben die Mütter aus der Übernahme der Elternrolle neues Selbstbewusstsein gewonnen. Die Vorsorgeuntersuchungen wurden von allen selbstverständlich wahr genommen die Kindertagesstätte unterstützte manche Eltern bei einer altersangemessen und abwechslungsreichen Ernährung des Kindes. Hilfsangebote waren bekannt und wurden nach Bedarf in Anspruch genommen.
Über die Ausweitung der Familienhebammenarbeit in Hamburg sowie die Fortführung der Evaluation wird diskutiert.