Gesundheitswesen 2012; 74 - A27
DOI: 10.1055/s-0032-1322013

Häusliche Pflegearrangements. Eine explorative Analyse auf Basis des Sozio-ökonomischen Panels, Wellen 2002–2009

C Emrich 1, MA Rieger 1, E Simoes 1
  • 1Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung Universitätsklinikum Tübingen

Einleitung/Hintergrund: Seit 1985 wird im Rahmen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), angesiedelt im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), ein „Pflege“-Datensatz längsschnittlich aufbereitet. Dennoch finden sich erstaunlich wenige Publikationen,die das SOEP heranziehen,um die Situation der pflegenden Angehörigen oder der Pflegebedürftigen zu untersuchen (SOEPlit: nur 10 Treffer in den letzten 7 Jahren). In Vorbereitung des eigeninitiierten Forschungsvorhabens „Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ wurde der Datensatz „Pflege“ insbesondere im Hinblick auf die Vielfalt der Pflegearrangements deskriptiv mit SPSS ausgewertet,um auszuloten, welche Möglichkeiten sich für spätere Analysen ergeben.

Daten/Methodik: Der Datensatz wurde nach Jahren aufgeteilt,um die Veränderung der Pflegearrangements im Zeitverlauf zu betrachten. Anschließend wurden Häufigkeitsanalysen und Kreuztabellen-Analysen durchgeführt.

Ergebnisse: In den Wellen 2002 bis 2009 gibt es n=1440 Individuen (n=3863 Fälle),die wie folgt eingestuft sind: 29% Pflegestufe 1 (n=418) 20% Pflegestufe 2 (n=287) 8% Pflegestufe 3 (n=119) 42% ohne Pflegestufe (n=605). Sie werden z.T. über mehrere Jahre betreut/gepflegt (arithmetischen Mittel 2,7 Jahre (alle) bzw. 3,3 Jahre (mind. Pflegestufe 1)).

Familiäre Pflege: n=938 Individuen (65%) wurden von Angehörigen im gleichen Haushalt [iHH] gepflegt (davon n=756 ausschließlich), n=179 (12%) von Angehörigen außerhalb des eigenen Haushalts [aHH] und n=323 (22%) ohne jegliche Beteiligung von Verwandten. Dieses Verhältnis bleibt über die Jahre relativ konstant und ist unabhängig von der Betrachtung von Individuen oder Fällen. 962 (67%) Pflegebedürftige wurden von einer Person gepflegt,die ebenfalls an der Panel-Erhebung teilnimmt. Somit liegen für 907 Personen (97%) [iHH] und für 55 Personen (31%) [aHH] Daten über die pflegende Person selbst vor.

Professionelle Pflege:

Nur n=15 Pflegebedürftige (1%) nahmen ambulante Pflegedienste in Anspruch

Bei n=249 Individuen (17%) waren Gemeindeschwestern/Sozialhelfer/-innen an der Pflege beteiligt

Informelle Pflege:

Kategorie A: nur Nachbarn/-innen pflegen (n=292, 20%)

Kategorie B: Freunde/-innen und Nachbarn/-innen pflegen (n=80, 6%),

In einer Zusammenschau aller Akteure ergeben sich folgende Differenzierungen:

Bei n=102 familiär gepflegten Personen (6%) waren zusätzlich Gemeindeschwestern/Sozialhelfer/-innen (jeweils n=51 [iHH] bzw. [aHH]) beteiligt.

Bei n=133 Pflegebedürftigen übernahmen die Nachbarn/-innen die Pflege gemeinsam mit Angehörigen (n=99 [iHH], n=34 [aHH]). – Bei n=18 Individuen teilten sich die Freunde/-innen und Nachbarn/-innen die Pflege mit Gemeindeschwestern/Sozialhelfern/-innen.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Häufigkeitsverteilung der Pflegestufen entspricht in etwa der amtlichen Statistik*. Allerdings sind im SOEP zusätzlich hilfsbedürftige Personen (ohne Pflegestufe) erfasst. Der Anteil derjenigen,die durch Pflegedienste zu Hause gepflegt werden fällt mit 1% deutlich geringer aus als in der amtlichen Statistik (24%). Die errechnete Pflegedauer passt gut zu der derzeitig diskutierten durchschnittlichen Pflegedauer zwischen 2 und 8 Jahren**. Hierbei gibt es allerdings durch die Art der Datenerhebung eine gewisse Unschärfe,da lediglich die Jahre bekannt sind,in denen jemand gepflegt wurde,nicht jedoch die exakte Dauer. Zudem wurde mit einem unbalancierten Panel gearbeitet. Das SOEP bietet vielfältige Möglichkeiten,um die Wechselwirkungen von gesundheitlicher,finanzieller und sozialer Situation sowie den Pflegearrangements (insbesondere Einbindung von Sozialhelfern/-innen und Nachbarn/-innen) zu untersuchen. Ganz besonders wertvoll erscheint hierbei die Möglichkeit die Daten sowohl mit Kontextmerkmalen des Gepflegten als auch der pflegenden Person zu verbinden. Es besteht weiterer Forschungsbedarf hinsichtlich Ressourcen und Belastungen, aber auch bezüglich Potentialen und Barrieren für die Inanpruchnahme von Unterstützungsleistungen im Sinne verbundener Pflegearrrangements.

Literatur:

* Pflegestatistik 2009. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Soziales/Pflege/PflegeDeutschlandergebnisse5224001099004.pdf? __blob=publicationFile

** Müller R., Unger R., Rothgang H. (2010). Reicht eine zweijährige Familien-Pflegezeit für Arbeitnehmer. Soziale Sicherheit 6–7/230–237.