Geburtshilfe Frauenheilkd 2012; 72 - P29
DOI: 10.1055/s-0032-1318550

XY-Gonadendysgenesie – Case Report

B Niederle 1, M Majic 1, J Kühnlein 1, T Bernar 1
  • 1Universitätsfrauenklinik Würzburg

Anamnese:

17-jähr. Patientin stellt sich zur Abklärung einer primären Amenorrhoe und ausbleibenden Brustwachstums vor. Ansonsten besteht ein unauffälliger weiblicher Phänotyp. Normales Größenwachstum, unauffällige psychosoziale Entwicklung als Mädchen. Keine relevanten Vorerkrankungen oder Operationen, unauffällige Familienanamnese.

Diagnostik:

In der körperlichen Untersuchung zeigen sich Mammae und Schambehaarung nicht altersentsprechend (Tanner 2), das äußere Genitale infantil, Hymen intakt, die Vagina lässt sich ca. 8cm einsehen, eine rudimentäre Portio ist darstellbar. Laborchemisch Nachweis eines hypergonadotropen Hypogonadismus. Im MRT Becken lassen sich Uterus und Ovarien nicht darstellen, sonographisch zeigt sich ein 30mm großer Uterus, Gonaden sind weder im Becken noch im Inguinalkanal nachweisbar. Die bisherige genetische Analyse ergab einen unauffälligen männlichen Karyotyp 46, XY sowie unauffällige Gene SRY und SF-1.

Therapie:

Laparoskopisch zeigte sich ein hypoplastischer Uterus mit unauffälligen Tuben, an der rechten Beckenwand ein vom Aspekt regelrechtes Ovar, links eine Stranggonade. Zum Ausschluss eines Mosaiks wurde das rechte Ovar zunächst biopsiert. Histologisch ergab sich ein Gonadoblastom in einer Stranggonade ohne Nachweis von Ovar- oder Hodenparenchym. Die beidseitige Gonadektomie ergab Gonadoblastome bds. mit einem 11mm großen Dysgerminom rechts. Nach Einschluss in MAKEI-96 erfolgt eine Therapie mit 2 Zyklen Cisplatin/Etoposid.

Diskussion:

Es besteht ein Pseudohermaphroditismus masculinus: weiblicher Phänotyp bei männlichem Genotyp. Ein möglicher diagnostischer Algorithmus wurde 2003 von Wieacker vorgeschlagen: sind Müller'sche Strukturen (obere 2/3 Vagina, Uterus, Tuben) vorhanden, spricht dies für eine fehlende AMH-Produktion während der Embryonalentwicklung. Das ist etwa bei der XY-Gonadendysgenesie der Fall. Fehlt hingegen der Uterus, müssen AMH-produzierende Sertoli-Zellen vorhanden sein, die Differenzialdiagnose umfasst dann verschiedene Störungen der Steroidhormonsynthese, die Androgeninsensitivität (CAIS, testikuläre Feminisierung), oder den LH-Rezeptordefekt. Schwierig ist die Abgrenzung gegenüber einem Agonadismus (z.B. Vanishing-Testes-Syndrom/Anorchie), hier sind je nach dem Zeitpunkt der testikulären Regression in der Embryonalentwicklung unterschiedliche Formen des äußeren und inneren Genitals möglich.

Bei der hier vorliegenden XY-Gonadendysgenesie empfiehlt sich eine genetische Abklärung zur Unterscheidung einer isolierten Form (z.B. Swyer Syndrom) von syndromalen Formen. Bei letzteren besteht das Risiko von Begleiterkrankungen bzw. assoziierten Tumoren (Niereninsuffizienz, Augenfehlbildungen, Wilms Tumoren). Wegen des 20–30%igen Entartungsrisikos (insb. Gonadoblastome und Dysgerminome) wird bei allen Gonadendysgenesien eine prophylaktische Gonadektomie empfohlen.

Unter Substitution mit Cyclo-Progynova kam es bereits nach dem ersten Zyklus zu einer Abbruchblutung, nach 2 Monaten ist bereits eine deutliche Zunahme des Brustwachstums zu verzeichnen.