Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2012; 22(03): 113-114
DOI: 10.1055/s-0032-1316418
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Spezifische Bewegungstherapie vermindert die Notwendigkeit einer chirurgischen Therapie bei subakromialen Impingement-Syndrom

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Publication Date:
11 June 2012 (online)

 

Referat zu Arbeit von Holmgren T, Björnsson Hallgren H, Öberg B, Adolfsson L, Johansson K. Effect of specific exercise strategy on need for surgeryin patients with subacromial impingement syndrome: randomised controlled study. BMJ 2012; 344: e787

In Schweden wurde in einer randomisierten kontrollierten Studie untersucht, welchen Effekt ein spezifisches Übungsprogramm bei Patienten mit chronischem Impingement-Schultersyndrom im Vergleich zu einer unspezifischen Bewegungstherapie auf Schmerz und Funktion haben. 102 Patienten mit therapieresistenten, seit mehr als 6 Monaten bestehenden Symptomen eines subakromialen Impingements, wurden an der orthopädischen Abteilung eines schwedischen Universitätsspitals rekrutiert.

Die spezifische Bewegungstherapie bestand aus exzentrischen Kräftigungsübungen für die Muskeln der Rotatorenmanschette sowie konzentrischen und exzentrischen Übungen für die Skapulafixatoren. Die Kontrollgruppe führte unspezifische Übungen für den Nacken und die Schulterregion durch. Beide Gruppen erhielten innerhalb von 12 Wochen 5–6 individuelle Übungsanleitungen. Zwischen diesen Einzelbehandlungen führten die Teilnehmer täglich 1–2-mal ein Heimübungsprogramm durch.

Hauptergebnisparameter war der Con­stant-Murley Schulter Score, der Schulterfunktion und Schmerz erfasst. Nebenparameter war die vom Patienten wahrgenommene Veränderung insbesondere die daraus abgeleitete Bereitschaft, eine chirurgische Therapie für die Schulterbeschwerden durchführen zu lassen. Ein erfolgreiches Therapieergebnis war durch Beschwerdefreiheit oder eine deutliche Beschwerdeminderung definiert.

Nahezu alle Studienteilnehmer (97 % in der experimentellen, 95 % in der Kontrollgruppe) vollendeten die gesamte Studiendauer von 12 Wochen. In der Gruppe mit spezifischer Bewegungstherapie fand sich eine signifikant deutlichere Verbesserung im Constant-Murley Score um 24 Punkte (95 %-Vertrauensintervall [VI] 19 t bis 28) als in der Kontrollgruppe um 9 Punkte (95 %-VI 5 bis13). Der mittlere Unterschied zwischen den Gruppen betrug 15 Punkte (95 %-VI 8.5 bis 20.6). 69 % (35/51) der Patienten in der experimentellen Gruppe berichteten ein erfolgreiches Therapieergebnis, während nur 24 % (11/46) Patienten der Kontrollgruppe beschwerdefrei waren bzw. eine deutliche Symptomminderung wahrgenommen hatten. Die Wahrscheinlichkeit eines Therapieerfolgs durch spezifische Übungen war 7,6-mal (95 %-VI: 3.1 bis 18.9) höher als durch die Kontrollbehandlung. Ein hoch signifikanter Unterschied fand sich in der Häufigkeit einer nachfolgenden operativen Behandlung. Nur 20 % (10/51) Patienten, der experimentellen Therapie wurde operiert, während 63 % (29/46) der Kontrollpatienten eine chirurgische Behandlung durchführten.

Die Autoren beurteilen aufgrund der Ergebnisse, dass eine spezifische Bewegungstherapie bei Patienten mit chronischem subakromialen Impingement-Syndrom Schmerz vermindern und die Schulterfunktion verbessern kann, sodass die Notwendigkeit einer chirurgische Therapie beträchtlich vermindert werden kann.

K. Ammer, Wien, Österreich

Kommentar

In Skandinavien besteht eine lange Tradition in der Erforschung der Wirksamkeit von Therapien bei Läsionen der Rotatorenmanschette.

Hinsichtlich der Schmerzreduktion fanden Brox et al. bei Patienten mit Impingement im Stadium II ein strukturiertes Gymnastikprogramm gleich wirksam wie die arthroskopisch durchgeführte Akromioplastik [ 1 ]. Eine Nachuntersuchung 2 ½ Jahre später fand eine gleichartig andauernde Wirksamkeit beider Therapien, auch wenn sich nach der chirurgischen Therapie etwas mehr Patienten mit sehr guten Behandlungserfolgen fanden [ 2 ]. Auch Haar et al. bestätigten, dass subakromiale Dekompression und Bewegungstherapie gleich wirksam sind [ 3 ]. Die Wirksamkeit war auch noch nach 4 Jahren nachweisbar, allerdings erhielten die operierten Patienten in den ersten beiden Jahren nach der Operation mehr Transferzahlungen wegen Krankheit als die konservativ behandelten Patienten [ 4 ]. Eine finnische Studie verglich eine spezifische Bewegungstherapie mit Akromioplastik plus postoperativer Übungstherapie und konnte keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit beider Therapien feststellen. Die gleichartige Wirksamkeit von chirurgischer und Übungstherapie wurde auch in einem systematischen Review bestätigt, der neben den Publikationen von Bronx [ 1 ] und Haahr [ 3 ] noch 2 weitere randomisierte Studien eingeschlossen hatte [ 5 ], [ 6 ].

Die vorliegende Studie hat nun gezeigt, dass durch spezielle Bewegungsübungen, die Muskeln der Rotatorenmanschette und der Skapulaaufhängung gekräftigt werden, der Bedarf für eine chirurgische Behandlung eines subakromialen Impingements möglicherweise um 80 % reduziert werden kann. Allerdings fehlen nach wie vor Kriterien, die das Ansprechen auf ein Muskeltraining verlässlich voraussagen können.

 
  • Literatur

  • 1 Brox JI, Staff PH, Ljunggren AE, Brevik JI. Arthroscopic surgery compared with supervised exercises in patients with rotator cuff disease (stage II impingement syndrome). BMJ 1993; 307: 899-903
  • 2 Brox JtE, Uppheim G, Bohmer AS, Brevik JI, Ljunggren AE, Statt PH. Arthroscopic surgery versus supervised exercises in patients with rotator cuff disease (impingement syndrome): a prospective, randomized, controlled in 125 patients with a 2 1/2-year follow-up. Shoulder Elbow 1999; (08) (Suppl. 02) 102-11
  • 3 Haahr JP, Østergaard S, Dalsgaard J, Narup K, Frost P, Lausen S et al. Exercisen versus arthroscopic decompression in patients with subacromial impingement: a randomized, controlled study in 90 cases with one year follow up. Ann Rheum Dis 2005; 64: 760-764
  • 4 Haahr JP, Andersen JH. Exercises may be as efficient as subacromial decompression in patients with subacromial stage II impingement; 4–8 years´follow-up in a prospective, randomized study. Scand J Rheumatol 2006; 35: 224-228
  • 5 Ketola S, Lehtinen J, Arnala I, Nissinen M, Westenius H Sintonen et al. Does arthroscopic acromioplasty provide any additional value in the treatment of shoulder impingement syndrome. J Bone Joint Surg Br 2009;
  • 6 Dorrestijn O, Stevens M, Winters JC, van der Meer K, Diercks RL. Conservative or surgical treatment for subacromial impingement syndrome? A systematic review. J Shoulder Elbow Surg 2009; 18: 652-60