Klinische Neurophysiologie 2012; 43(03): 219
DOI: 10.1055/s-0032-1314830
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Parkinson-Syndrome und andere Bewegungsstörungen

Contributor(s):
Christoph Schrader
1   MHH Hannover
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Publication History

Publication Date:
24 September 2012 (online)

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[1] Bewegungsstörungen zählen mittlerweile neben der Epilepsie, den Demenzen, der Neuroonkologie, den vaskulären und chronisch entzündlichen Erkrankungen zu den großen Gebieten der Neurologie. Die bekannteste Bewegungsstörung ist die Parkinson Erkrankung, in deren Rahmen man fast alle Formen abnormer Bewegung wiederfindet und die pathophysiologisch sicherlich am besten erforscht ist; aber auch Dystonie, Tremor, choreatische und myoklonische Erkrankung und schließlich neuerdings auch Ataxien und das Restless-legs-Syndrom zählen zu dieser Erkrankungsgruppe. In den letzten 20 Jahren hat sich ein zum Teil dramatischer Zuwachs an Wissen über molekulare und pathophysiologische Grundlagen dieser Erkrankungen sowie deren Diagnostik und Therapie ereignet. Dieses Wissen bündeln die Herausgeber dieses Buches in hervorragender Art und Weise.

Dieses Buch ist gegliedert in drei Abschnitte. Im ersten Teil werden die Grundlagen der Bewegungsstörungen dargestellt, angefangen von der Neuroanatomie und -physiologie der Basalganglien über die Basalganglienschleife und Transmittersysteme bis hin zu einer Übersicht über Proteinaggregation, die letztlich ja der gemeinsame Ausgangspunkt fast aller neurodegenerativen Erkrankungen ist.

Im zweiten Teil wird auf die einzelnen Krankheitsbilder eingegangen: idiopathisches Parkinsonsyndrom, Demenz mit Lewy-Körperchen, multiple Systematrophie, progressive supranukleäre Blickparese, Kortikobasaldegeneration, Bewegungsstörungen bei frontotemporaler Demenz, sekundäre Parkinsonsyndrome, Tremor, Dystonie, Chorea und Myoklonus werden ebenso wie Tourette-Syndrom, Ataxien, hereditäre spastische Spinalparalyse, paroxysmalen Bewegungsstörungen, Wilson-Krankheit und seltene Speichererkrankungen sowie medikamentös induzierten Bewegungsstörungen, paraneoplastische und andere immunvermittelte Bewegungsstörungen in einzelnen Kapiteln dargestellt. Als „neue“ Bewegungsstörungen werden auch das Restless-legs-Syndrom, REM-Schlaf-Verhaltensstörungen, weitere schlafbezogene Bewegungsstörungen und Narkolepsie, psychogene Bewegungsstörungen, Bewegungsstörungen imKindesalter sowie Notfälle behandelt.

Der dritte Teil – der Anhang – beinhaltet symptomatische Definitionen von Bewegungsstörungen, Diagnoseverfahren, die Darstellung der wichtigsten Skalen zur Messung von Bewegungsstörungen und schließlich Begutachtungstabellen.

Jedes dieser Kapitel ist von ausgewiesenen Experten für die jeweilige Erkrankung geschrieben worden, und die Herausgeber haben es geschafft, dass alle Kapitel einem einheitlichen Aufbau folgen. Ganz bemerkenswerterweise werden die klinischen Aspekte der Erkrankungen sehr betont. Die Autoren geben klare, praxisrelevante und praktische Hinweise für die Diagnose und beschreiben ausführlich auch die Limitationen bestimmter Diagnoseverfahren. Nutzer von „Kitteltaschenbüchern“ werden sich über die Differentialdiagnosetabellen und nicht zuletzt auch über die Therapiekapitel freuen, in denen einzelne Therapieschritte inklusive Dosierungsangaben klar und deutlich dargestellt werden. Da viele Therapieverfahren bei den Bewegungsstörungen „off Label“ sind, wird auch jeweils auf den Evidenzgrad hingewiesen. Alle Quellen werden im Text kenntlich gemacht und können am Ende des jeweiligen Kapitels in einer ausführlichen Literaturliste nachgelesen werden. Auch die neueste Literatur bis zum Jahr 2011 ist berücksichtigt.

Dieses Buch hat das Potenzial, sich zum deutschsprachigen Standardwerk zum Thema Bewegungsstörungen zu entwickeln. Die Herausgeber betonen zwar, dass sich dieses Buch bewusst an Kolleginnen und Kollegen richtet, die keine profunde eigene Expertise auf dem Gebiet der Bewegungsstörungen besitzen bzw. noch in Ausbildung stehen. Ich denke hingegen, dass selbst Kollegen, die täglich mit Bewegungsstörungen zu tun haben, dieses Buch sehr zu schätzen wissen werden.