Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2012; 44(3): 126-129
DOI: 10.1055/s-0032-1314698
Praxis
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Intestinale Mikrobiota, Immunsystem und kolorektales Karzinom

Nicole Weis
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Publication Date:
25 September 2012 (online)

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Einleitung

Die Oberfläche der menschlichen Darmschleimhaut ist enorm: auf 400 bis 600 m2 leben ungefähr 100 Billionen Bakterien – in einem Ökosystem, das aus 10- bis 100-mal mehr Zellen besteht als der menschliche Körper. Die Gesamtheit dieser Mikroorganismen wird als intestinale Mikroflora oder „Darmflora“ bezeichnet. Von allen untersuchten mikrobiellen Ökosystemen hat die intestinale Mikroflora die höchste Zelldichte [12]. Bemerkenswert ist, dass der Embryo im Mutterleib noch keine Mikroflora besitzt, aber spätestens zwei Wochen nach der Geburt eine vielfältige Darmflora ausgebildet hat.

In den vergangenen Jahren konnte gezeigt werden, dass die Mikroflora des Darms bei der Bildung des Immunsystems im Darm eine wichtige Rolle spielt und dass Veränderungen der Mikroflora ein gesteigertes Risiko für Lebensmittelallergien oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen darstellen. Aktuelle Forschungsergebnisse der Freiburger Mikrobiologen Diefenbach und Ganal konnten an Tierversuchen nachweisen, dass Signale von natürlichen Darmbakterien notwendig für eine effektive Immunantwort gegen verschiedene virale oder bakterielle Erreger sind. Erstmals sprechen die Forscher auch von möglichen beeinflussbaren epigenetischen Veränderungen, die die Reifung von dendritischen Zellen beeinflussen. Beispielhaft zeigt sich hier an der Mikroflora des Darms, dass wir durch Antibiotikagabe, Hygiene oder Lebensstil erhebliche Auswirkungen auf das gesamte Immunsystem haben können [4].