Diabetologie und Stoffwechsel 2012; 7 - P_159
DOI: 10.1055/s-0032-1314656

Pharmakologisches und mathematisches Großtiermodell mit STZ-diabetischen Göttingen Minipigs als Grundlage für eine automatisierte Insulintherapie

K Lunze 1, MD Brendel 2, S Leonhardt 1
  • 1RWTH Aachen, Helmholtz-Institut, Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik, Aachen, Germany
  • 2Medizinische Klinik und Poliklinik III, Carl-Gustav-Carus Universitätsklinikum der TU Dresden, Paul-Langerhans-Institut Dresden (PLID), Deutsches Zentrum für Diabetesforschung e.V. (DZD), Dresden, Germany

Fragestellung: Für eine automatisierte Insulintherapie von Diabetikern fehlen bisher ein zuverlässig kontinuierlich messender Langzeitblutzuckersensor und der entsprechende Regelalgorithmus. Zudem muss eine hohe Systemsicherheit beim Transfer von in vitro getesteten autonomen Systemen in eine klinische Studie garantiert sein. Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung eines zuverlässigen pharmakologischen Tiermodells mit Göttingen Minipigs und der Entwurf eines daraus abgeleiteten mathematischen Modells des diabetischen Glucose-Insulin-Stoffwechselsystems im Schwein, um Algorithmen für die Blutzuckerregelung in vivo schneller validieren zu können. Die zukünftige Anwendung eines in vitro entworfenen Therapiesystems in einer klinischen Studie soll dabei durch einen Zwischenschritt mit dem Test im Großtiermodell im Risiko gemindert und damit die Sicherheit des Gesamtsystems erhöht werden.

Methodik: In fünf konditionierten Göttingen Minipigs wurden jeweils zwei dauerhafte zentrale Venenkatheter gelegt, bevor ein Diabetes mellitus durch eine Streptozotocin (STZ)-Infusion (150mg/kg Körpergewicht) induziert wurde. Mit den zunächst nichtdiabetischen und dann diabetischen Tieren wurden mehrere intravenöse Glucosetoleranztests durchgeführt. Der Effekt von subkutan und intravenös verabreichtem Insulin auf die Blutzuckerkonzentration im diabetischen Tier wurde ebenfalls analysiert. Für die Approximation des Glucose-Insulin-Stoffwechselverhaltens im diabetischen Minipig wurde mithilfe der intravenösen Blutzuckermessdaten ein für das Humansystem bestehendes nichtlineares Differenzialgleichungsmodell dritter Ordnung erweitert.

Ergebnisse: Bei allen Göttingen Minipigs konnte mithilfe von Glucosetoleranztests und durch die histologische Untersuchung des Pankreas nachgewiesen werden, dass STZ erfolgreich einen rasch eintretenden, dauerhaften Diabetes mellitus induziert. Über die Glucose- und Insulintests konnte das dynamische Zeitverhalten des Glucose-Insulin-Stoffwechselsystems der Tiere identifiziert werden. Das resultierende mathematische Modell besteht aus sechs Differenzialgleichungen für die Beschreibung der intrakorporalen Glucose- und Insulinkonzentrationen mit der injizierten Insulinmenge als Modelleingang und der Glucoseaufnahme als Modellstörung. Mithilfe der Bland-Altman-Methode wurden Simulation und Messung der Blutzuckerwerte verglichen: Das Modellverhalten entspricht zu mehr als 90% dem wahren Stoffwechselverhalten der Tiere.

Schlussfolgerungen: Das entwickelte Großtiermodell mit STZ-diabetischen Göttingen Minipigs kann in Zukunft als Basis für den Entwurf eines automatisierten Insulintherapiesystems verwendet werden. Um mit dem mathematischen Modell das natürliche Glucosestoffwechselverhalten noch genauer zu beschreiben, müssen zukünftig weitere nichtlineare Einflüsse wie die renale Clearance berücksichtigt werden. Das bisherige Modell reicht allerdings schon aus, um Regelalgorithmen geringerer Komplexität zu entwerfen und am Tiermodell zu überprüfen.