Diabetologie und Stoffwechsel 2012; 7 - P_139
DOI: 10.1055/s-0032-1314636

Zusammenhänge zwischen Kohärenzgefühl, Bewältigungsressourcen zur Krankheitsverarbeitung und diabetesbezogenen Belastungen bei Patienten mit Typ 1 Diabetes

R Paust 1, J Fleischer 2, C Spoden 2, R Krämer-Paust 3, A Boeger 2, R Bierwirth 1, B Koberg 1, A Meier 1, E Reuber-Menze 1, B Tillenburg 1, A Trocha 1, P Wilimzig 1
  • 1Elisabeth-Krankenhaus Essen, Essen, Germany
  • 2Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • 3Praxis für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Essen, Germany

Fragestellung: Typ 1 Diabetes lässt sich in Übereinstimmung mit den Grundgedanken des Salutogenesemodells (Antonovsky, 1993, 1997, 1998) als chronischer Stressor betrachten. Im Salutogenesemodell wird das Kohärenzgefühl als zentrale Steuerungsfunktion definiert, die die Widerstandsfähigkeit gegenüber Stressoren erhöht und den Einsatz von Bewältigungsressourcen anregt. (Antonovsky, 1997) Studien zum Kohärenzgefühl bei Diabetes mellitus zeigen, dass das Kohärenzgefühl mit der Akzeptanz des Diabetes (Richardson et al., 2001), der emotionalen Bewältigung (Lundman & Norberg, 1993) und diabetesspezifischer Selbstwirksamkeit (Shuk-Man Li, 2007) in Beziehung steht. Allerdings werfen die Befunde die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Kohärenzgefühl und Bewältigungsressourcen einerseits sowie dem Kohärenzgefühl und diabetesbezogenen Belastungen andererseits auf.

Methode: Im Rahmen einer quantitativen Querschnittserhebung (N=203, 59,1% weiblich) wurden Zusammenhänge zwischen dem Kohärenzgefühl, Bewältigungsressourcen sowie diabetesbezogenen Belastungen bei erwachsenen Patienten mit Typ 1 Diabetes untersucht. Das Kohärenzgefühl wurde mit dem SOC-L9 (Schumacher & Brähler, 2000) erfasst. Bewältigungsressourcen wurden mit dem FERUS (Jack, 2007) sowie dem FKV (Muthny, 1989) erhoben. Diabetesbezogene Belastungen wurden mit dem PAID (Kulzer et al., 2002) erfragt.

Ergebnisse: Als ein wesentlicher Befund zeigte sich, dass Typ 1 Diabetiker mit einem ausgeprägten Kohärenzgefühl über mehr Bewältigungsressourcen verfügen als Patienten mit einem niedrigen Kohärenzgefühl. Der SOC stand dabei mit den FERUS-Skalen Coping (r=0,513***), Selbstbeobachtung (r=0,259***), Selbstwirksamkeit (r=0,557***), Selbstverbalisation (r=0,450***), Hoffnung (r=0,636***), Soziale Unterstützung (r=0,292***) und Selbstmanagementfähigkeiten (r=0,561***) signifikant positiv in Beziehung. Darüber hinaus fand sich ein signifikanter negativer Zusammenhang zwischen SOC und der Skala Veränderungsmotivation (r=-0,531***). Zudem erlebten Patienten mit einem ausgeprägten Kohärenzgefühl signifikant weniger diabetesbezogene Belastungen (r=-0,531***). Unterschiede zwischen normnah (HbA1c<=7,5%) eingestellten Probanden (r=-0,647**) und Patienten mit einem erhöhten HbA1c>7,5% (r=-0,369**) erwiesen sich für den Zusammenhang zwischen SOC und PAID als signifikant (F=9,23, p<0,01). Im Regressionsmodell zur Vorhersage diabetesbezogener Belastungen konnte eine aufgeklärte Varianz von 36% nachgewiesen werden (SOC: β=-0,274**).

Schlussfolgerungen: In der vorliegenden Studie konnten Zusammenhänge zwischen dem Kohärenzgefühl und verschiedenen Bewältigungsressourcen nachgewiesen werden. Zudem trägt das Koharenzgefühl zur Erklärung diabetesbezogener Belastungen bei. Im Rahmen der Diabetesbehandlung sollte neben diabetesbezogenen Belastungen und individuellen Bewältigungsressourcen auch das Kohärenzgefühl erfasst werden.