Diabetologie und Stoffwechsel 2012; 7 - P_119
DOI: 10.1055/s-0032-1314616

Untersuchung der unmittelbaren Auswirkungen des Vertriebsverbotes Rosiglitazon-haltiger Arzneimittel im ambulanten Versorgungssektor in Deutschland

HM Reuter 1, S Kluge 2, S Silbermann 2, S Thoma 2, H Schmutzler 2, R Limberg 2
  • 1Diabetologische Schwerpunktpraxis, Jena, Germany
  • 2Berlin-Chemie AG, Medizin & Forschung, Berlin, Germany

Fragestellung: Ab dem 01. November 2010 wurden Rosiglitazon-haltige Arzneimittel in Deutschland nicht mehr vertrieben. Vorausgegangen waren eine entsprechende EU-weite Empfehlung der EMA sowie für Deutschland eine Anordnung zur Vertriebseinstellung seitens des BfArM am 23. September. Dieser Vorgang bedingte die Notwendigkeit der Therapieumstellung für alle mit Rosiglitazon behandelten Typ-2-Diabetespatienten. Die vorliegende Erhebung untersuchte die unmittelbaren Auswirkungen dieses Vertriebsverbots auf der Ebene der Patienteninformation, der Therapiealternativen sowie der zeitlichen Ressourcen für die Therapieanpassung.

Methodik: Standardisierte, schriftliche Befragung von Ärzten im ambulanten Versorgungssektor (10/2010–02/2011). Dokumentation von Daten zu Parametern der Informationsvermittlung, der antihyperglykämischen Therapiealternativen und zugrunde liegender Auswahlkriterien sowie Ressourcen-relevanter Parameter. Die statistische Auswertung erfolgte deskriptiv mittels SAS (Version 9.2).

Ergebnisse: Insgesamt dokumentierten 2.036 Ärzte 17.976 Patienten ([MW±SD]: Alter 61,9±11,1 Jahre; BMI 30,4±5,0kg/m2; Erkrankungsdauer T2DM7,3±5,0 Jahre; mittl. Therapiedauer Rosiglitazon 4,4±2,3 Jahre). Patienteninformation: 28,7% waren bereits über die Medien informiert; jeder 10. Patient kam von sich aus wg. des Vertriebsverbotes zum Arzt; für 3 von 4 Patienten waren die ärztlicherseits gegebenen Informationen ausreichend (53,7% wurden grob, 41,4% detailliert informiert; mittl. Gesprächsdauer: 12,5±7,6min); diskutierte Therapiealternativen: OAD (75,1%), Inkretinmimetikum (12,9%), Insulin (12,5%). Wichtigste Auswahlkriterien (Mehrfachnennungen): Effiziente HbA1c-Senkung (59,6%), Vermeidung von Gewichtszunahme (50,3%) und Hypoglykämien (48,4%). Ärztlicherseits geschätzte Ressourcen für (1) Zeitbedarf Therapieumstellung insgesamt 20,5±21,5min; (2) zusätzliche Besuchstermine 1–2 (61,3%), >3 (15,4%).

Schlussfolgerungen: Ein Vertriebsverbot auf Arzneimittelebene bedingt erwartungsgemäß einen zusätzlichen qualitativen und quantitativen Informationsbedarf der Patienten und bindet zusätzliche zeitliche Ressourcen im ambulanten Versorgungssektor. Diese Untersuchung trägt dazu bei, einen Eindruck von diesem kurzfristigen Mehrbedarf zu gewinnen. Als Therapiealternative zu einer Rosiglitazon-haltigen Therapie wurde ärztlicherseits vorwiegend eine Umstellung auf eine andere OAD-Therapie in Betracht gezogen. Als wichtige Kriterien für die Therapiewahl kam neben der Effizienz auch in dieser Erhebung der „Vermeidung von Gewichtszunahme und Hypoglykämien“ hinsichtlich der Häufigkeit der Nennung eine hohe Bedeutung zu. Dies unterstreicht erneut die Berücksichtigung dieser Begleitziele im Rahmen von Therapieentscheidungen.