Fragestellung: Der Gemeinsame Bundesausschuss hat am 15.12.2011 die bundesweite Einführung eines
Screenings auf Gestationsdiabetes beschlossen. Vorbehaltlich der Prüfung durch das
Bundesministerium für Gesundheit wird ein Screening auf Gestationsdiabetes somit in
die Mutterschafts-Richtlinien aufgenommen. Im Zuge dieser weitreichenden Maßnahme
sind in den nächsten Jahren validere Daten zur Prävalenz des Gestationsdiabetes zu
erwarten. Ziel des hier vorgelegten systematischen Literaturreviews war es, flankierend
den aktuellen internationalen Forschungsstand zur Häufigkeit des Gestationsdiabetes
in den übrigen Industrienationen zusammenzufassen. Besonderes Augenmerk wurde dabei
auf die Bedeutung unterschiedlicher Studiendesigns, Datenquellen und Diagnosekriterien
für künftige Prävalenzvergleiche gelegt.
Methodik: In Anlehnung an das PRISMA-Statement wurden sämtliche im Zeitraum vom 01.01.2000
bis 28.02.2011 veröffentlichten englisch- und deutschsprachigen Originalia berücksichtigt,
welche die Prävalenz des Gestationsdiabetes als Hauptfragestellung analysierten und
in der Literaturdatenbank PubMed/Medline verzeichnet waren. Alle identifizierten Studien
wurden durch zwei Rater unabhängig und parallel bewertet. Die Inter-Rater-Reliabilität
wurde standardgemäß mittels Cohen's Kappa (k) bestimmt. Es zeigte sich mit Werten
zwischen k=0,61, k=0,73 und k=0,90 eine gute bis sehr gute Übereinstimmung. Die anfänglich
882 Treffer wurden in einem mehrstufigen Verfahren auf 27 Originalstudien reduziert.
Ergebnisse: Die Prävalenz des Gestationsdiabetes variiert in den Industrienationen zwischen 1,7%
und 10,7%. Selbstangaben der Schwangeren führen zu höheren Prävalenzschätzern als
eine Auswertung ärztlicher Diagnosen. Zwei Studien, bei denen für die selbe Schwangere
jeweils beide Angaben vorlagen, zeigten Prävalenzen zwischen 9,0% und 8,7% bei Selbstauskunft
versus jeweils 4,8% bei ärztlich validierten und zentral registrierten Diagnosen,
was Abweichungen von 4,2%- bzw. 3,9%-Punkten gleichkommt. Des Weiteren lagen die Prävalenzen
in Südeuropa tendenziell höher (nämlich zwischen 3,3% und 11,3%) als in Nord- und
Mitteleuropa (zwischen 1,7% und 3,6%). Daten von anderen Kontinenten (Australien und
Nordamerika) bewegten sich mit 2,5% bis 8,7% innerhalb jener Spanne.
Schlussfolgerungen: Dieser systematische Review erlaubt einen aktuellen, umfassenden und kompakten Überblick
über die Datenlage zur Prävalenz des Gestationsdiabetes in Industrienationen. Die
Arbeit zeigt zudem auf, welche methodischen Aspekte (wie die Heterogenität der Studienkollektive
und der Studiendesigns) bei deren Interpretation zu beachten sind. Innerhalb der gefundenen
Studien geben Analysen zu zeitlichen Trends und demografischen Risikogruppen wichtige
Hinweise für die zielgruppengerechte Konzeption künftiger Interventionen hierzulande.