Diabetologie und Stoffwechsel 2012; 7 - P_8
DOI: 10.1055/s-0032-1314505

Psychosoziale Ausgangssituation und initiale Bedürfnisse als Prädiktoren für die Stoffwechseleinstellung ein Jahr nach Manifestation? Eine repräsentative Stichprobe von Kindern/Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes

C Ziegler 1, T Danne 1, A Hellberg 1, B Aschemeier 1, E Marquardt 1, O Kordonouri 1, C Krowicky 1, U Großer 1, B Götz 1, K Schnell 1, K Lange 2
  • 1Kinder- und Jugendkrankenhaus auf der Bult, Hannover, Germany
  • 2Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Psychologie, Hannover, Germany

Fragestellung: Es wird untersucht, ob sich Kinder mit einer unzureichenden Stoffwechseleinstellung ein Jahr nach Diabetesmanifestation von Kindern mit einer guten Stoffwechseleinstellung in ihrer psychosozialen Situation und den subjektiven Bedürfnissen der Familien zum Beginn der Erkrankung unterscheiden.

Methodik: Der Einschluss der Patienten erfolgte sukzessive über einen Zeitraum von 12 Monaten (07/2009–06/2010). Die Familien wurden zum Zeitpunkt der Diabetesmanifestation mit einem standardisierten Leitfaden-Interview zu ihrer psychosozialen Situation (Herkunft, Lebensumstände des Kindes, berufliche Situation der Eltern, gesundheitliche Beeinträchtigung des Kindes (psychisch/körperlich)) sowie ihren Bedürfnissen nach der Diabetesmanifestation befragt. HbA1c (DCA 2000, Normbereich 4,2–5,8%) und Therapiedaten wurden initial und nach 12 Monaten ausgewertet. Bei 61 von 75 (81,3%) Familien lagen vollständige Datensätze vor. Die Daten wurden sowohl qualitativ mittels Inhaltsanalyse als auch quantitativ mittels Mann-Whitney-U-Test und Chi2-Test ausgewertet.

Ergebnisse: Zum Zeitpunkt der Diabetesmanifestation waren die Kinder 9,99±4,42 Jahre alt (39,3% Mädchen). 14,8% der Kinder hatten einen Migrationshintergrund, 75,4% lebten mit beiden leiblichen Elternteilen zusammen. 91,1% der Väter und 9,4% der Mütter waren vollzeitbeschäftigt. Eine zusätzliche psychische oder körperliche Beeinträchtigung lag bei 32,8% der Kinder und 21,3% der Eltern vor. 12 Monate nach Diabetesmanifestation lag das mittlere HbA1c bei 7,15±1,06% (72,1% der Kinder HbA1c<7,5%; 8,2% HbA1c>9,0%). Alle Patienten wurden mit einer intensivierten Insulintherapie behandelt, dazu setzten 14,8% (initial) und 18,0% (nach 1 Jahr) eine Insulinpumpe ein. Es traten 2 Ketoazidosen (3,6 pro 100-Pat-Jahre) und 4 schwere Hypoglykämien mit Fremdhilfe (6,6 pro 100-Pat-Jahre) auf. Kinder mit einem HbA1c<7,5% nach 12 Monaten unterschieden sich nicht signifikant von Kindern mit einem HbA1c≥7,5% in der psychosozialen Situation zum Zeitpunkt der Diabetesmanifestation (p>0,05). Eltern von Kindern, deren HbA1c am Ende des 1. Diabetesjahres ≥7,5% lag, nannten signifikant häufiger Sorgen, die sich auf die Entwicklung des Kindes beziehen (2,29±1,50 vs. 1,27±0,55, p<0,05). Bei den anderen Bedürfniskategorien (Alltagsleben des Kindes, Familienleben, Verursachung der Erkrankung, kritische Situationen, Berufsleben der Eltern) zeigen sich keine statistisch bedeutsamen Unterschiede zwischen den Gruppen (p>0,05).

Schlussfolgerung: Die initiale psychosoziale Situation der Kinder hängt nicht mit der Güte der Stoffwechsellage nach dem ersten Diabetesjahr zusammen. Jedoch berichten Eltern von Kindern mit einer unzureichenden Stoffwechsellage nach dem ersten Diabetesjahr bereits zum Zeitpunkt der Diabetesmanifestation vermehrt Sorgen bezogen auf die Entwicklung des Kindes. Entsprechend sollte initial eine bedürfnisorientierte Beratung angeboten werden.