Diabetologie und Stoffwechsel 2012; 7 - FV_43
DOI: 10.1055/s-0032-1314475

Massiv erniedrigter HbA1c-Wert bei Manifestation eines Typ-1 Diabetes: Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel

M Becker 1, A Galler 1, K Raile 1
  • 1Charité, Virchowklinikum, Pädiatrische Diabetologie und Endokrinologie, SPZ, Berlin, Germany

Einleitung: Der HbA1c-Wert ist ein wertvoller Verlaufsparameter für die Beurteilung der Stoffwechseleinstellung bei Patienten mit Diabetes mellitus. Erhöhte HbA1c-Werte korrelieren direkt mit dem Risiko für mikro- und makrovaskuläre Komplikationen.

Falsch niedrige HbA1c-Werte kommen z.B. bei Hämoglobinopathien, hämolytischen Anämien oder bei akutem Blutverlust vor. Sie bergen die Gefahr einer Überschätzung der Stoffwechseleinstellung und somit einer Unterschätzung des Risikos für Folgeerkrankungen.

Der Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel (G6PD-Mangel) wird X-Chromosomal rezessiv vererbt und führt zu einer Störung des Pentosephosphatwegs, so dass die Erythrozyten unzureichend vor einer Oxidation geschützt sind. Bei einer Exposition mit oxidativen Noxen kommt es daher bei Patienten mit G6PD-Mangel zu einer Hämolyse.

Fallbericht: Wir berichten von einem 10-jährigen Patienten mit libanesischem Migrationshintergrund, bei dem sich im Juli 2011 ein Diabetes mellitus Typ 1 manifestierte. Bei dem Patienten fielen bereits bei Manifestation stark erniedrigte HbA1c-Werte auf, ohne klinische oder laborchemische Zeichen für eine schwere Anämie (Hb-Werte 10,1– 11,6g/dl, Normbereich 11,7–14,7g/dl):

Manifestation: HbA1c 5,0% (Immunoassay DCA 2000, Normbereich <5,6% (IA));

±10 Tage: HbA1c (IA) 3,2%, HbA1c 2,7% (HPLC, Normbereich <6,1%);

±6 Wochen: Fructosamin 295µmol/l (Normbereich <285µmol/l);

±14 Wochen: HbA1c (IA) 7,2%, HbA1c (HPLC) 7,7%, Fructosamin 343µmol/l;

±21 Wochen: HbA1c (IA) 5,1%, HbA1c (HPLC) 5,2%, Fructosamin 318µmol/l.

Unsere initiale Verdachtsdiagnose war daher eine Hämoglobinopathie, die aber durch eine normale Hämoglobinelektrophorese und den molekulargenetischen Ausschluss einer α-Thalassämie nicht bestätigt wurde.

Wegweisend war schließlich ein einmalig erniedrigt gemessener Haptoglobinwert bei sonst stets normalen Hämolyseparametern (Bilirubin, K, LDH). Die Bestimmung der G6PD-Enzymaktivität zeigte eine extrem erniedrigte Aktivität von weniger als 10% des Normalwertes. Die starke HbA1c-Wert-Erniedrigung bei Manifestation könnte durch den oxidativen Stress bei Hyperglykämie und Dehydratation induziert gewesen sein

Die Familie wurde ausführlich über den Befund und über die potentiell Hämolyse-verursachenden Noxen aufgeklärt.

Zur weiteren Verlaufsbeobachtung der Stoffwechseleinstellung verwenden wir Fructosamin, das von der Störung des Pentosephosphatweges nicht betroffen ist.

Schlussfolgerung: Zusammenfassend sollte auch bei Patienten ohne Anämie an einen G6PD-Mangel als Ursache für unplausibel niedrige HbA1c-Werte gedacht werden.