Neuroradiologie Scan 2012; 02(02): 95
DOI: 10.1055/s-0032-1309323
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Beim Mediainfarkt schützt rasche Rekanalisation mittels Thrombolyse funktionell besonders wichtige Hirnbereiche

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Publication Date:
11 April 2012 (online)

Man erklärt sich den klinischen Effekt der Thrombolyse bei Schlaganfall-Patienten durch die Rekanalisation des betroffenen Gefäßes, die das Infarktwachstum begrenzt. Denkbar ist aber auch, dass der Schutz ganz bestimmter Hirnareale im Grenzzonenbereich entscheidenden Einfluss auf die spätere Prognose hat. Französische Neuroradiologen wollten in ihrer Studie diese klinisch besonders relevanten gefährdeten Hirnstrukturen bei Patienten mit Mediainfarkt identifizieren.

Rosso et al. schlossen in ihre Studie 68 ein, die zum Zeitpunkt der Aufnahme einen Verschluss der A. cerebri media aufwiesen, der innerhalb von 6 h (Zeitraum H6) nach initialer Symptomatik per MRT nachgewiesen wurde. Als Maß für den ischämischen Schaden diente der über die Voxel-basierte Analyse ermittelte reduzierte apparente Diffusionskoeffizient (ADC) in der MR-Angiografie. Als Kontrolle dienten 16 Patienten, die bei einem Schlaganfall-ähnlichen Bild oder einer TIA (transitorische ischämische Attacke) einen unauffälligen MRT-Befund aufwiesen.

Der Infarkt war bei 8 Patienten (11,8 %) auf den tiefen Bereich des Media-Versorgungsgebiets und bei 20 Patienten auf den oberflächlichen Bereich (29,4 %) beschränkt. Beide Versorgungsgebiete waren bei 40 Patienten (58,8 %) betroffen. Bei 57 Patienten (84 %) wurde eine intravenöse Thrombolyse mit rtPA durchgeführt.

Eine komplette Rekanalisation wurde bei 36 Patienten (53 %) erreicht, eine partielle bei 16 (23,5 %), und bei weiteren 16 Patienten (23,5 %) gelang keine Rekanalisierung.

Bei der 1. MRT-Aufnahme vor der Rekanalisierung wurden ADC-Veränderungen im Vergleich zu den Kontrollpersonen vor allem in den tiefen zentralen Hirnregionen um den Nucleus lenticularis beobachtet. Am Tag danach wurde deutlich, dass der Bereich mit ADC-Abfall bei nicht rekanalisierten Patienten wesentlich größer ist als bei rekanalisierten Patienten und Nucleus lenticularis, Capsula interna und periventrikuläre weiße Substanz (PVWM) mit umfasst. Bei den rekanalisierten Patienten war die Größe dieses Gebiets zu beiden Zeitpunkten vergleichbar – hatte also nicht weiter zugenommen. Die zusätzlich betroffene Region bei den nicht rekanalisierten Patienten wurde somit als Grenzzone (deep-watershed at risk tissue – DWT) interpretiert.

Bei Patienten mit einem schlechten Ergebnis nach 3 Monaten war ein deutlich größerer ADC-Abfall im Bereich von Nucleus lenticularis, Capsula interna, PVWM und Teilen des Inselkortex zu verzeichnen. Dieser Bereich stellt eine komplexe und strategisch wichtige anatomische Struktur mit zahlreichen Leitungsfasern dar.