Dialyse aktuell 2012; 16(2): 86
DOI: 10.1055/s-0032-1309249
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Apheresetherapie

Wolfgang Ramlow
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Publication Date:
13 March 2012 (online)

Ziel der Apheresebehandlung ist es, pathogene Plasmabestandteile oder Zellen direkt aus dem zirkulierenden Blut zu entfernen. Da es sich um ein invasives und kostenintensives Behandlungsverfahren handelt, kommt es für gewöhnlich erst zum Einsatz, wenn alle etablierten Therapiemaßnahmen nicht zum gewünschten klinischen Erfolg geführt haben. Folglich ist die Krankheitskonstellation unabhängig von der betreffenden Indikation komplex und die Patientenzahl gering. In dieser Situation ist die Durchführung von randomisierten kontrollierten Studien an ausreichend großen Patientenkollektiven objektiv erschwert.

Mit gegenwärtig 1200–1400 Lipidapheresepatienten in Deutschland liegt die Zahl betroffener Patienten deutlich unter dem Grenzwert für seltene Erkrankungen (per definitionem 5 Patienten auf 10 000 Einwohner, in Deutschland ca. 40 000 Patienten). Trotz zahlreicher positiver Berichte zum Einsatz der Apheresetherapie in den letzten 30 Jahren ist die Evidenzlage daher nicht mit der Situation bei den Arzneimitteln vergleichbar. Auf die Besonderheiten bei der Planung und Durchführung von klinischen Apheresestudien gehe ich in der Rubrik ”Journal-Club“ ab Seite 83 ein.

Sie finden in dieser Ausgabe der Dialyse aktuell 3 weitere Artikel, die sich mit dem Thema Lipidapherese befassen. Die Entfernung von atherogenen kardiovaskulären Risikofaktoren mittels Apherese hat in Deutschland bereits eine circa 30-jährige Tradition. Nach der Identifikation von LDL-Cholesterin (LDL-C) als unabhängigen kardiovaskulären Risikofaktor hatte die britische Arbeitsgruppe um Gilbert Thompson in mehreren Publikationen zwischen 1975 und 1985 den klinischen Nutzen der kontinuierlichen Plasmaaustauschtherapie bei Patienten mit homozygoter familiärer Hypercholesterinämie aufgezeigt.

Es waren dann vor allem deutsche Wissenschaftler und Ärzte, die neben Japanern die Entwicklung und klinische Anwendung von selektiven oder spezifischen Apheresetechnologien zu Beginn der 1980er-Jahre vorantrieben. Das H.E.L.P.-Verfahren und die Doppelsäulen-Immunadsorption sind selektive Verfahren der ersten Stunde, die auch heute noch im Einsatz sind. Zum Vergleich: Das erste Statin wurde erst 1987 eingeführt. Einen detaillierten Einblick in die physiko-chemischen Grundlagen der Adsorption und Filtration bietet der Artikel von Prof. Jörg Vienken, Bad Homburg, ab Seite 88.

Seit den 1990er-Jahren gibt es in Deutschland eine geregelte Kostenerstattung für die LDL-Apherese. Es handelt sich dabei ausdrücklich um eine Ultima-ratio-Behandlungsoption, wenn trotz Ausschöpfung aller anderen Behandlungsmethoden keine ausreichende Absenkung von LDL-C erzielt werden konnte. Der Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen (Vorläufer des Gemeinsamen Bundesausschusses, G-BA) hat im Jahr 2003 die Regelungen zur LDL-Apherese aktualisiert und konkretisiert. In diesem Zusammenhang wurden Fachkommissionen bei den lokalen Kassenärztlichen Vereinigungen etabliert, um eine sachgerechte Kontrolle über die Indikationsstellung zu gewährleisten.

Die Apheresebehandlung zur Elimination von Lipoprotein(a) wurde erst 2008 nach einer nochmaligen Evaluation vom G-BA in das Leistungsspektrum der Gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen. Der G-BA akzeptierte zwar mit dieser Entscheidung noch einmal die besondere Rolle der Apheresebehandlung, forderte aber gleichzeitig die Leistungserbringer auf, die inadäquate Datenlage speziell zur Lipidapherese zu verbessern. Diese Thematik greift Thomas Zimmermann, Rostock, in seinem Artikel ab Seite 101 auf, in dem er Möglichkeiten zur prospektiven systematischen Datenerfassung und zum Qualitätsmanagement diskutiert.

Die Lipidapherese wird in Deutschland überwiegend in Dialysepraxen durchgeführt. In größeren Einrichtungen existieren eigenständige Aphereseeinheiten, in denen das Personal ausschließlich für die Betreuung von Apheresepatienten zuständig ist. Qualifikationsanforderungen für die Pflegekräfte in der Apherese existieren nicht, obwohl die Aufgaben des Pflegepersonals zumeist vielschichtig sind. Sie reichen von der unmittelbaren Apheresebehandlung über organisatorische Aufgaben bis hin zur Unterstützung der Ärzte in der Patientenbetreuung. Anja Ramlow und Katja Vedder, Rostock, beschreiben ab Seite 110 das komplexe Tätigkeitsfeld der Pflegekräfte am Beispiel des Apherese Centrum Rostock (ACR).

Ich wünsche Ihnen Freude und Erkenntnisgewinn beim Lesen dieses Schwerpunktheftes.