Dialyse aktuell 2012; 16(2): 65
DOI: 10.1055/s-0032-1309247
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das große Ganze sehen

Christian Schäfer
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Publication Date:
13 March 2012 (online)

Es ist wichtig, den Patienten eine möglichst umfassende Betreuung bieten zu können. Können Pflegekräfte und Ärzte aufgrund von Unterbesetzung und Zeitmangel aber nur noch ”durchmarschieren“ und gerade einmal das Allernötigste erledigen, sind Diagnose- und Therapiefehler wahrscheinlicher. Außerdem leiden sowohl die Zufriedenheit der Patienten als auch die des medizinischen Personals: Die Arbeit am Patienten, die eigentlich eine große sozial-interaktive Komponente haben sollte, wird zum möglichst schnellen, roboterhaften Abarbeiten von Aufgaben. Burn-out-Syndrom oder Berufswechsel bei Pflegekräften und Ärzten sowie ein größerer Leidensdruck mit höheren Komplikationsraten bei den Patienten können die Folge sein. Das kann nicht gut sein!

Leider geht der Trend hin zu noch mehr Personaleinsparung und -knappheit. Kein Wunder, sieht man sich die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland an: Immer mehr kranke Alte und weniger Junge zeichnen das Bild, womit für die Kranken und Pflegebedürftigen immer weniger Menschen bereit stehen, die in sozialen und medizinischen Berufen arbeiten. Und natürlich spielt auch die Bezahlung eine Rolle: Wer Schichtdienst und eine verantwortungsvolle Aufgabe hat, sollte auch besser dafür entlohnt werden – allein schon der Wertschätzung wegen und um die Arbeit mit Patienten vor allem für junge Leute, die in der Phase der Berufswahl sind, interessant zu machen.

Umso wichtiger ist es, dass nach dem vermeintlichen ”Jahr der Pflege“ 2011 und verschleppten Reformen im Gesundheitssystem in diesem Jahr der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nachlegt. Seine Vorgänger und auch er selbst haben da einiges schleifen lassen. Erste Anzeichen für Besserungen sind schon da, jedoch sind die bisherigen Vorhaben und Anstrengungen lange nicht genug. Und dann sind da noch andere Politiker wie Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundesministerin für Arbeit und Soziales Dr. Ursula von der Leyen (CDU), die ebenfalls kräftig mitmischen wollen – nicht immer zum Guten für das Ergebnis. Denn das Gesundheitssystem und damit zu einem beträchtlichen Anteil die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen sollten keine isoliert betrachteten finanziellen und parteipolitischen Spielbälle sein. Man sollte sie als das behandeln, was sie sind: ein sehr hohes Gut. Hierbei zählen Weitsicht und parteiübergreifender Konsens – hoffen wir, dass die Politiker (unsere gewählten Vertreter, die zum Wohle der Bürger handeln sollen) dies auch in seiner letzten Konsequenz begreifen und umsetzen.

Man sollte also immer das große Ganze im Blick haben – und diese Erkenntnis auch in konkrete Handlungen umsetzen können. Auf den AfnP-Seiten können Sie dies am Beispiel des Elevationstests ab Seite 70 sehr schön sehen: Manfred Breit, Trier, beschreibt anschaulich, dass der Test sehr nützlich ist, um die Funktionsfähigkeit eines Dialyseshunts zu beurteilen. Doch verliert er an Aussagekraft, wenn man diesen isoliert durchführt und nicht den Patienten als Ganzen zusammen mit seiner Krankheitsgeschichte und anderen Tests berücksichtigt.

Auf ein manchmal vernachlässigtes, aber wichtiges Teil im Mosaik des Blutreinigungsverfahren blicken wir in diesem Schwerpunktheft: Zusammen mit unserem Gasteditor Dr. Wolfgang Ramlow, Rostock, haben wir das Thema ”Apheresetherapie“ von mehreren Seiten beleuchtet – ein weiterer Baustein unseres Beitrags dazu, Blutreinigungsverfahren in ihrer Gesamtheit verständlich darzustellen. Lesen Sie die Artikel der kompetenten Autoren ab Seite 83.

Ich hoffe, dass diese Ausgabe der Dialyse aktuell dabei hilft, sich das große Ganze etwas mehr vor Augen zu halten, wenn der Blick dafür im Strudel des Arbeitsalltags vielleicht ein wenig verlorenging.