Endoskopie heute 2012; 25 - FV26
DOI: 10.1055/s-0032-1308746

Die sekundäre sklerosierende Cholangitis auf der Intensivstation: Welcher Patient ist gefährdet und wie kann man sein Risiko verringern?

T Voigtländer 1, A Negm 1, A Schneider 1, M Manns 1, J Wedemeyer 2, T Lankisch 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Hannover
  • 2Klinikum Robert Koch, Gastroenterologie, Gehrden

Einleitung: Die sekundär sklerosierende Cholangitis (SSC) bei Intensivpatienten ist eine zunehmend beschriebene und dennoch unterdiagnostizierte Krankheitsentität mit schlechter Prognose. Unser Ziel war die Identifikation potentieller Risikofaktoren der SSC-Entwicklung und möglicher protektiver Maßnahmen an dem bisher größten veröffentlichten Patientenkollektiv.

Methoden: Retrospektive Analyse von 54 Patienten, die im Zeitraum von 2001 bis 2011 nach Intensivaufenthalt eine SSC entwickelt haben. Die Diagnose wurde durch eine endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie (ERCP) gesichert. Die zugrundeliegenden Erkrankungen umfassten Herz-, Thorax-, und Gefäßchirurgische Eingriffe (HTG) (n=21), Infektionen mit septischen Komplikationen (n=13), Polytrauma (n=11) und andere (n=9). Gallensaft für die mikrobiologische Diagnostik wurden während der ERCP gewonnen.

Ergebnisse: Patienten mit HTG-Interventionen oder Organtransplantation in der Vorgeschichte sind einem besonders hohem SSC-Risiko ausgesetzt. 33 Patienten starben (n=27) oder benötigten eine Lebertransplantation (n=6). Wir identifizierten septische Komplikationen (p=0,017), Fieber vor ERCP (p=0,08) und Nierenversagen mit konsekutiver Hämodialyse (p=0,01) als signifikante Risikofaktoren für Tod oder Lebertransplantation. Weitere Risikofaktoren waren hohe Bilirubinwerte, ein erhöhter MELD Score und niedrige Albuminwerte in dieser Gruppe. Die Diagnose der SSC konnte nur in 30% der Fälle durch die Sonografie, in 36% durch die Leberbiopsie, jedoch in 100% der Fälle durch die ERCP gestellt werden. Die Zeitspanne zwischen Auftreten einer schweren Cholestase und der Durchführung einer ERCP betrug 74±68 (8–305) Tage. Die Komplikationsrate der ERCP war gering: Nur ein Patient entwickelte eine milde post-ERCP Pankreatitis. Die mikrobiologische Analyse der Galle ergab bis auf eine Probe durchweg eine mikrobielle Kolonisation. Eine Eskalation der antibiotischen Therapie war aufgrund des Antibiogrammes in 28% der Fälle notwendig.

Schlussfolgerung: Die SSC bei Intensivpatienten ist eine seltene, jedoch unglücklicherweise häufig fatale Erkrankung. Die ERCP stellt das diagnostische (und therapeutische) Verfahren der Wahl dar und ist weitgehend ungefährlich. Dennoch wird die ERCP häufig zu spät durchgeführt, da möglicherweise andere Ursachen für eine Cholestase angenommen werden. Bei Vorhandensein von Risikofaktoren bei Intensivpatienten mit Cholestase sollte eine frühe diagnostische ERCP durchgeführt werden. Zudem sollte eine Analyse der Gallenflüssigkeit erfolgen, um eine Anpassung der antibiotischen Therapie zu ermöglichen. Zukünftige Studien müssen zeigen, ob eine frühe Diagnose und Therapie basierend auf den neu beschriebenen Risikofaktoren die auffällig hohe Mortalität senken können.