Gesundheitswesen 2012; 74 - V16
DOI: 10.1055/s-0032-1307280

Soziale Gesundheit von Jungen und Männern – Konkurrenz als vernachlässigte Zielgröße?

B Szagun 1
  • 1Hochschule Ravensburg-Weingarten, Fakultät Sozial Arbeit, Gesundheit und Pflege

Zwischen sozialer und gesundheitlicher Lage besteht ein enger, konsistenter und besonders hinsichtlich der Mortalität deutlich genderabhängiger Zusammenhang: Männer reagieren auf ihren sozioökonomischen Status gesundheitlich sensibler als Frauen. Dieser Genderunterschied zeigt sich v.a. für Erkrankungen, für die auch – zu einem erheblichen Teil durch die subjektive soziale Lage vermittelter – psychosozialer Stress einen Risikofaktor darstellt. Soziallagebedingte psychosoziale Belastungen scheinen somit für Männer gesundheitlich noch bedeutsamer zu sein als für Frauen.

Neurophysiologisch hat v.a. die HPA-Achse und deren chronische Überaktivierung im Sinne einer allostatischen Überlast zentrale Bedeutung für die soziallagebedingte Stressbelastung. Eine gestörte Aktivität der HPA-Achse wird speziell durch soziale Situationen ausgelöst, welche durch Konkurrenz (Kompetition) oder Gruppenausschluss (Ostrazismus) geprägt sind. Ein hoher Grad an Kompetition und hierarchisch geprägtem Selbstverständnis wird entsprechend als wesentlicher gesellschaftlicher Risikofaktor für verschiedene Volkskrankheiten gesehen sowie ganz konkret mit depressiven Störungen in Verbindung gebracht.

Psychosozial belastete Jungen und Männer stellen für sämtliche Akteure der Prävention, Gesundheitsförderung und Therapie eine besonders schwer erreichbare Zielgruppe dar, da der Zugang zu ihnen häufiger durch stereotyp männliche – besonders kompetitiv geprägte – Verhaltensweisen verbaut ist. Erfolgreiche Handlungsansätze, den Grad an Kompetition zu beeinflussen, stellen u.a. ein Fokus auf das Kohärenzgefühl oder auf konkurrenzmindernde Kulturmerkmale dar. Kompetitionsspezifische Ansätze sind in der Prävention und Gesundheitsförderung jedoch bisher unterrepräsentiert, was erheblich mit dem steigenden Belastungsgrad durch die neue Morbidität kontrastiert. Der ÖGD ist mit seinem Zugang zu wesentlichen Settings und seiner kleinräumigen deutschlandweiten Präsenz ein zentraler Akteur der Gesundheitsförderung und Prävention. Durch lokale Sensibilisierung und Beiträge zur Maßnahmenplanung kann er eine wesentliche Rolle dabei spielen, Konkurrenz als Zielgröße der Prävention und Gesundheitsförderung mehr Gewicht zu verleihen.