Radiologie up2date 2012; 12(1): 5-6
DOI: 10.1055/s-0032-1301959
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Arzt-Patienten-Beziehung in der Radiologie

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
17. März 2012 (online)

In einer ausgezeichneten Publikation im Heft 3 des Jahrgangs 2011 der Zeitschrift Radiologie up2date hat uns H. P. Busch nahegebracht, wie wir mit Kennzahlen radiologische Abteilungen steuern und optimieren können. Die Kombination aus hohen Investitionskosten und hohen Personalkosten macht es in Zeiten eines steigenden ökonomischen Drucks zweifellos erforderlich, die Kosten-Nutzen-Relation unserer Einrichtungen im Auge zu behalten. Richtig umfassen die Ansprüche an das Management heute aber weitere Aspekte, die unter Begriffen wie Terminmanagement, Arbeitszeitmanagement und vor allem Qualitätsmanagement zusammengefasst werden. Die in radiologischen Einrichtungen ablaufenden Prozesse sind dabei allgemein in radiologischen Informationssystemen (RIS) gut dokumentiert und somit jederzeit auswertbar. Ineffiziente Abläufe werden hierdurch nicht nur durch schlechte Kostendeckungsgrade auffällig, sondern können abteilungsintern direkt auf Prozessebene analysiert und optimiert werden. Workflow-Optimierung ist dabei eines der Zauberwörter unter dem leer stehende Geräte, suboptimale interne Abläufe und ein ineffizienter Personaleinsatz vermieden werden sollen.

So notwendig derartige Optimierungen sind, so wenig wird untersucht, wie sich in Zeiten steigenden ökonomischen Drucks das ändert, was man allgemein als Arzt-Patienten-Beziehung in der Radiologie bezeichnet. Grade an dieser Frage entscheidet sich aber, was für eine Art von Radiologie wir eigentlich betreiben. Anders gefragt: Gibt es sie noch die Arzt-Patienten-Beziehung in der Radiologie und ist sie überhaupt sinnvoll? Ist die Rolle der Radiologen hier nicht ähnlich der unserer Kollegen in der Pathologie? Kaum wird ein Patient erwarten, von einem Pathologen begrüsst oder verabschiedet zu werden und wahrscheinlich erwarten Patienten auch kaum, ein konventionelles Röntgenbild eines Sprunggelenks direkt im Anschluss an die Untersuchung von einem radiologischen Facharzt erläutert zu bekommen.

Jenseits dieser konventionellen Radiologie sind in der Vergangenheit komplexere Untersuchungen allerdings in aller Regel arztgebundene Kontrastmitteluntersuchungen gewesen, die einen direkten Kontakt zum Patienten implizierten. Entsprechend wurde bei diesen die ärztliche Tätigkeit von unseren Patienten auch wahrgenommen. Dass viele dieser Techniken heute durch Schichtbilduntersuchungen ersetzt sind, ist zweifellos ein Fortschritt, haben hierdurch doch nicht nur die diagnostische Aussagemöglichkeiten, sondern vor allem auch das Schmerz- und Belästigungspotenzial abgenommen. Die Entwicklung unseres Fachgebiets kann entsprechend durchaus auch im Sinne einer Humanisierung der Diagnostik gelesen werden. Die ärztliche Rolle beschränkt sich dabei aber häufig auf die Verordnung eines Untersuchungsprotokolls, welches von den MTRA ausgeführt wird, und die nachgeschaltete Befundung. In vielen gut organisierten Krankenhäusern erübrigt sich zudem die direkte Befragung des Patienten zur Anamnese. Selbst wenn der Anmeldeschein nur unzureichend ausgefüllt ist, genügt häufig ein Blick in die elektronische Krankenakte, um alle wichtigen Informationen für die Untersuchungssteuerung und die Befundung zu erhalten.

Ist unter diesen Bedingungen der Anspruch, Patienten im Zusammenhang mit komplexeren radiologischen Untersuchungen (CT, MRT) ärztlich zu sehen, nicht ein historisches Relikt? Stören Radiologen nicht sogar den oben erwähnten Workflow, wenn sie „ihre“ Patienten auch noch sprechen wollen? Vermeiden wir nicht sogar besser solche Kontakte, um Fragen seitens der Patienten zum Untersuchungsergebnis zu einem Zeitpunkt zu vermeiden, wo wir dieses oft noch gar nicht kennen? Letztlich münden alle diese Fragen in die eine Frage, was für eine Radiologie wir eigentlich betreiben wollen.

Nach Ansicht des Autors dieses Editorials gibt es für einen obligaten Arzt-Patienten-Kontakt im Rahmen einer Schnittbilduntersuchung mehrere veritable Gründe:

Auch in gut geführten elektronischen Patientenakten gibt es immer wieder Informationsdefizite, die aber durchaus diagnoserelevant sein können. Zudem fehlen den vorhandenen Informationen häufig die klinische Gewichtung und zeitliche und kausale Zusammenhänge, über die die Patienten meist gut Auskunft geben können. Letztlich ist der direkte Eindruck über den aktuellen Zustand des Patienten und die Gewichtung seiner Beschwerden durch keine Krankenakte zu ersetzen. Unbedingt müssen wir uns auch fragen, welche ärztliche Tätigkeit wir eigentlich in der Radiologie ausüben wollen, die des zurückgezogen Spezialisten im Halbdunkel unserer Befundungsräume oder die des klinischen Radiologen mit persönlichem Bezug zum Patienten und Zuweiser. Trotz aller Attraktivität des radiologischen Methodenspektrums kann bezweifelt werden, dass engagierte junge Kolleginnen und Kollegen langfristig eine reine Monitor-Halbdunkeltätigkeit attraktiv finden. Letztlich wichtig ist auch, was Patienten von unserer Tätigkeit überhaupt wahrnehmen. Es soll hier nicht bezweifelt werden, dass entsprechend geschulte MTRA Patienten adäquat über alles Relevante rund um unsere Untersuchungen informieren und dabei diese auch emotional angemessen betreuen können. Nur in einem ärztlichen Gespräch aber wird unseren Patienten auch bewusst, dass an ihren Bildern einen spezialisierte ärztliche Leistung erbracht wird, um die sich jemand persönlich kümmert, den sie selbst kennen gelernt haben. Aber eben das ist klinische Radiologie.

Ist der hier erhobene Anspruch mit der Teleradiologie vereinbar, welche sich zunehmend verbreitet? Lediglich dort, wo teleradiologische Systeme dazu benutzt werden um Zweitmeinungen einzuholen oder Bilder in überinstitutionellen Netzwerken weiterzugeben. Innerhalb der Institutionen und im direkten Patientenkontakt erscheint die persönliche Anwesenheit des Radiologen weiterhin unersetzlich.

Wolfgang Steinbrich, Basel

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