Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - P140
DOI: 10.1055/s-0032-1301690

Effekte transkranieller Gleichstromstimulation des Präfrontalkortex auf Aufmerksamkeit, Reaktionsinhibition und kognitive Flexibilität

I Längst 1, K Giel 2, C Plewnia 1
  • 1Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Tübingen
  • 2Medizinische Universitätsklinik, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Tübingen

Hintergrund: Die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) hat als Möglichkeit der nichtinvasiven Modulation exekutiver Funktionen große Aufmerksamkeit erlangt. Beruhend auf der Beobachtung, dass anodale Stimulation die kortikale Aktivität im stimulierten Bereich erhöht, wurde die tDCS zur vorübergehenden Verbesserung gestörter exekutiver Funktion eingesetzt (Boggio et al. 2007, Kang et al. 2009). Auch bei gesunden Versuchspersonen konnten Effekte der tDCS auf exekutive Funktionen nachgewiesen werden (Dockery et al. 2009). Mit einem Go/No-Go Task wurde untersucht, inwieweit bei gesunden Probanden Daueraufmerksamkeit, Reaktionsinhibition und kognitive Flexibilität durch anodale tDCS des linken dorsolateralen Präfrontalkortex (DLPFC) moduliert werden kann.

Methoden: In einem doppelblinden, randomisierten cross-over Design wurden gesunde Probanden (n=50) in zwei Sitzungen mit anodaler tDCS (20min, 1mA) des DLPFC (EEG 10/20: F3) bzw. einer Scheinstimulation behandelt. Während der Stimulation wurde der parametrische Go/No-Go Task in drei Schwierigkeitsstufen zur Prüfung von Daueraufmerksamkeit, Reaktionsinhibition und kognitiver Flexibilität mit unterschiedlich hohem Arbeitsgedächtnisload durchgeführt (Langenecker et al. 2007).

Ergebnisse: Die Stimulation wurde von den Versuchspersonen ohne relevante unerwünschte Nebenwirkungen vertragen. In keinem der Zielparameter zeigten sich Unterschiede zwischen den Leistungen während anodaler und Schein-tDCS.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen, dass bei gesunden Probanden unter emotional neutralen Bedingungen anodale tDCS (1mA) des linken DLPFC keine Veränderung von Daueraufmerksamkeit, Reaktionsinhibition und kognitiver Flexibilität zur Folge hat. Möglicherweise treten die in früheren Untersuchungen beschriebenen Effekte erst in Zusammenhang mit Störungen dieser Funktionen oder bei höheren Stimulationsintensitäten relevant in Erscheinung.

Literatur: Boggio PS, Bermpohl F, Vergara AO, Muniz AL, Nahas FH, Leme PB, Rigonatti SP, Fregni F. Go-no-go task performance improvement after anodal transcranial DC stimulation of the left dorsolateral prefrontal cortex in major depression. J Affect Disord. 2007 Aug;101(1-3):91-8. Dockery CA, Hueckel-Weng R, Birbaumer N, Plewnia C. Enhancement of planning ability by transcranial direct current stimulation. J Neurosci. 2009 Jun 3;29(22):7271-7. Kang EK, Baek MJ, Kim S, Paik NJ. Non-invasive cortical stimulation improves post-stroke attention decline. Restor Neurol Neurosci. 2009;27(6):645-50. Langenecker SA, Zubieta JK, Young EA, Akil H, Nielson KA. A task to manipulate attentional load, set-shifting, and inhibitory control: convergent validity and test-retest reliability of the Parametric Go/No-Go Test. J Clin Exp Neuropsychol. 2007 Nov;29(8):842-53.