Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - P097
DOI: 10.1055/s-0032-1301647

Defizite bei der Wahrnehmung und dem Verstehen von Bewegungen dissoziieren bei apraktischen Patienten

E Binder 1, PH Weiss-Blankenhorn 2, A Dovern 1, MD Hesse 3, GR Fink 1
  • 1Klinik für Neurologie, Uniklinik Köln, Köln
  • 2Kognitive Neurologie (INM-3) - Forschungszentrum Jülich GmbH, Jülich
  • 3Klinik und Poliklinik für Neurologie, Uniklinik Köln, Köln

Fragestellung: Es wird postuliert, dass die Ausführung, die Wahrnehmung und das Verstehen einer Bewegung gleichermaßen durch das Spiegelneuronensystem vermittelt werden. Die Kernregionen des Spiegelneuronensystems sind der prämotorische und parietale Kortex, die zugleich die Hauptläsionsorte bei Patienten mit Apraxie darstellen. Somit sollten Apraxie-Patienten vergleichbare Defizite bei der Ausführung, der Wahrnehmung und dem Verstehen einer Bewegung zeigen. Methoden: Es wurden 41 Patienten mit linkshemisphärischem Schlaganfall (Alter: 59.2±11.2 Jahre) untersucht: 21 Patienten (5 Frauen) zeigten eine Apraxie, 20 Patienten (9 Frauen) waren nicht apraktisch. Die Patienten führten mit 40 gestischen Bewegungen folgende 3 Aufgaben durch: Bewegungswahrnehmung (Unterscheidung zwischen der sinnhaften Bewegung und einer leicht verfälschten Bewegung, die dadurch bedeutungslos wurde), Verstehen von Bewegungen (die sinnhaften Bewegungen dem passenden Kontext zuordnen) und Bewegungsausführung (Imitation der sinnhaften Bewegungen). Ergebnisse: Die apraktischen Patienten schnitten für alle 3 Aufgabenbereiche signifikant schlechter ab als die nicht apraktischen Patienten (p<0.05). Weitergehende Analysen zeigten jedoch, dass die Schwere der Defizite in den getesteten Domänen (Ausführung, Wahrnehmung, Verständnis) bei den Apraxie-Patienten nicht korreliert war. Bei einzelnen apraktischen Patienten fanden sich darüber hinaus deutliche Doppeldissoziationen. Schlussfolgerung: Die differentiellen Defizite der apraktischen Patienten lassen sich nur schwer mit dem Postulat in Einklang bringen, dass das Spiegelneuronensystem gleichermaßen die Ausführung, die Wahrnehmung und das Verstehen von Bewegungen unterstützt. Vielmehr sprechen die Ergebnisse dafür, dass – zumindest zum Teil – spezialisierte Areale die einzelnen motorisch-kognitiven Funktionen unterstützen und daher bei Apraxie selektiv betroffen sein können.