Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - P086
DOI: 10.1055/s-0032-1301636

Zeitverlauf dystoner Symptome nach Abschalten des Globus pallidus Stimulators bei zervikaler Dystonie

J Levin 1, A Singh 1, B Feddersen 1, JH Mehrkens 2, K Bötzel 1
  • 1Neurologische Klinik, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, München
  • 2Neurochirurgische Klinik, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, München

Fragestellung: Die Stimulation des Globus pallidus internus ist eine effektive Therapie zur Behandlung der zervikalen Dystonie (CD). Der Beginn des initialen Effektes ist bei Dystonie im Vergleich zu anderen mit tiefer Hirnstimulation (DBS) behandelter Erkrankungen verzögert. Der Zeitverlauf dystoner Symptome nach Abschalten der DBS ist nicht bekannt. Für das Verständnis der Pathophysiologie von CD und für die Beratung der Patienten wäre die Kenntnis dieser Zeitverläufe hilfreich.

Methoden: Bei 11 Patienten mit CD wurde die Stimulation jeweils einmal ausgeschaltet und einmal Ausschalten vorgetäuscht. Die Untersuchungen wurden doppelt verblindet mit einem „cross-over“ Design durchgeführt. Die Patienten wurden klinisch mit der TWSTRS-Skala und objektiv mit Zebris® 3D Bewegungsmessung in zunächst halbstündigen und dann stündlichen Intervallen während fünf Stunden beobachtet.

Ergebnisse: Die Symptome der Dystonie traten schon innerhalb von wenigen Minuten nach Abschalten der Stimulation in beinahe vollständiger Intensität wieder auf (Δ TWSTRS: 8,9 Punkte; p < 0.0001). In den Zebris® Messungen konnte dieser Effekt objektiviert werden (p < 0.0001). Kurz nach Wiedereinschalten der Stimulation waren die Symptome bei allen Patienten deutlich rückläufig. Im Verlauf wurde bei allen Patienten das Ausgangsniveau wieder erreicht.

Schlussfolgerung: Nach Erreichen einer suffizienten Symptomkontrolle findet die klinische Reaktion auf Manipulationen des Neurostimulators bei Patienten mit CD im Bereich von Minuten statt. Daher darf angenommen werden, dass der initial verzögerte Wirkungseintritt durch im Rahmen der chronischen Dystonie aufgetretene strukturelle Veränderungen auf muskulärer oder neuromuskulärer Ebene hervorgerufen wird, welche durch die anhaltende DBS-Therapie günstig beeinflusst werden. Auch initial suboptimale Stimulationsparameter („vorsichtiges Hochschalten“) könnte für den verzögerten Wirkeintritt verantwortlich sein.