Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - P037
DOI: 10.1055/s-0032-1301587

Die Fahrsimulation in der Klinik: Ein Testverfahren für visuelles Explorationsverhalten von Patienten mit Hemianopsie im Alltag

J Hamel 1, A Kraft 1, S Ohl 2, S De Beukelaer 1, HJ Audebert 1, SA Brandt 1
  • 1Klinik für Neurologie, Charité, Campus Mitte, Universitätsmedizin Charité, Berlin
  • 2Berlin School of Mind and Brain, Humboldt Universität zu Berlin, Berlin

Fragestellung: Neuere Studien zeigen, dass das Explorationsverhalten von Patienten mit Hemianopsie in alltagsnahen Situationen eher dem von gesunden Probanden gleicht als in der Labortestung (z.B. Martin et al. 2007). Ob es sich hierbei um Kompensationsmechanismen oder um unbewusstes Sehen (Blindsight) handelt ist unklar. Ziel war es, in der Klinik eine realitätsnahe Testsituation mit Hilfe eines Fahrsimulators zu etablieren, die es ermöglicht Blickbewegungen von Patienten mit Hemianopsie zu untersuchen und eine Prognose über ihr Explorationsverhalten im Alltag zu geben. Methoden: Wir entwickelten in unserer Klinik einen Versuchsaufbau, der einen Fahrsimulator mit speziell angepassten Strecken (Explorationsverhalten vs. Reflexives Verhalten in einfachen und komplexen Situationen) mit einer Augenbewegungskamera kombiniert. Auf diese Weise kann das Explorationsverhalten über verschiedene Testparameter (Reaktionszeit, Augen- und Kopfbewegungen) in Alltagssituationen erfasst werden. Ergebnisse: Mit unserem Versuchsaufbau untersuchten wir 73 Probanden (vgl. Poster De Beukelaer et. al.), sowie 3 Patienten mit unterschiedlichem Explorationsverhalten: Einzelne Patienten zeigten erstaunlicherweise keine Unterschiede in den Reaktionszeiten zwischen linkem und rechtem Gesichtsfeld sowie im Vergleich zu Gesunden, jedoch 1,5-fach häufiger Sakkaden, die überwiegend im blinden Gesichtsfeld landeten (68%). Der dritte Patient hingegen führte im Vergleich deutlich weniger Sakkaden aus (1/4), zeigte längere Reaktionszeiten und kollidierte sogar mit Objekten im blinden Gesichtsfeld. Schlussfolgerung: Der neu etablierte Versuchsaufbau ermöglicht es das Explorationsverhalten von Hemianopsiepatienten in einer realitätsnahen Situation in der Klinik zu untersuchen und eine Prognose über individuelle Kompensationsstrategien zu geben (Rehapotiential). Eine größere Anzahl an Patienten wird nun untersucht um die Rolle von Blindsight und visuelle Kompensationsstrategien aufzudecken.