Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - P030
DOI: 10.1055/s-0032-1301580

Plastizität im Netzwerk für Sprechmotorik durch motorische Lernprozesse–eine Studie mit akustischer Signalanalyse und fMRT

IG Meister 1, S Lipski 1, M Grice 2
  • 1Klinik für Neurologie, Uniklinik Köln, Köln
  • 2IfL Phonetik, Köln

Sprechen gehört zu den komplexesten motorischen Leistungen des Menschen. Während das Netzwerk für Sprechmotorik gut charakterisiert ist, ist die Plastizität in diesem Netzwerk in Verbindung mit motorischen Lernprozessen bislang nicht untersucht. Die vorliegende Studie diese Fragestellung mit einer Kombination aus akustischer Signalanalyse und funktioneller Kernspintomographie.14 gesunde Rechtshänder mit Deutsch als Muttersprache trainierten die Aussprache eines Clusters der beiden stimmhaften Plosive /g/ und /b/: /gb/ (CC-Cluster), der nicht im Deutschen aber in anderen Sprachen existiert. Als Kontrolle wurde ein im Deutschen phonotaktisch korrekter Cluster untersucht. Der Lernprozess umfasste 14 Tage, Messungen mit funktioneller Bildgebung wurden vor dem Lernen, nach einer und nach zwei Wochen durchgeführt. Die Analyse der Verhaltensdaten bestätigte, dass alle Probanden eine signifikante Verbesserung der Aussprache des CC-Clusters erreichten. Die Daten der funktionellen Bildgebung zeigten eine Verminderung der Aktivierung in bilateralen primärmotorischen Arealen und dem linken superioren temporalen Kortex infolge des Lernprozesses. Die Interaktionsanalyse zeigte signifikante Lerneffekte im Putamen, in der posterioren Inselregion, im posterioren superioren Temporallappen und im Gyrus supramarginalis links. Diese Ergebnisse zeigen, dass sprechmotorisches Lernen mit Plastizität in einem vorwiegend linksseitigen Netzwerk einhergeht, das das Putamen und perisylvische Regionen umfasst. Diese Areale sind wesentliche Bestandteile von Feedback- und Feedforward-Schleifen zur Steuerung von Sprechmotorik. Nach unserer Interpretation reflektieren diese plastischen Prozesse die initiale Bedeutung von perzeptuellem Feedback während des Lernprozesses, die im Verlauf des Trainings durch die Etablierung von neuen Feedforward-Schleifen vermindert wird. Die Ergebnisse dieser Studie können zur Etablierung neuer Therapiemethoden bei Patienten mit Dysarthrie beitragen.