Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - P014
DOI: 10.1055/s-0032-1301564

Chronisch entzündliche Polyneuropathie mit Gangliosid-Antikörpern nach allogener Stammzelltransplantation

J Bürmann 1, S Behnke 1, A Bachhuber 1, S Nikolin 2, J Weis 2, C Zwick 3, K Faßbender 1, U Dillmann 1
  • 1Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
  • 2Institut für Neuropathologie, Universitätsklinikum Aachen, Aachen
  • 3Klinik für Hämatologie, Onkologie, Klinische Immunologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar

Hintergrund: Bei Graft-versus-Host-Reaktionen (GvHD) handelt es sich um nach allogenen Stammzelltransplantationen auftretende Immunreaktionen, bei denen insbesondere T-Lymphozyten des Spenders verschiedene Organe des Empfängers angreifen. Auch ein Befall des peripheren Nervensystems ist möglich, hierzu existieren Einzelfallbeschreibungen(1). Fallbericht: Eine 68-jährige Patientin entwickelte aus einer idiopathischen Myelofibrose eine sekundäre akute myeloische Leukämie. Durch eine allogene periphere Stammzelltransplantation konnte eine anhaltende Remission erreicht werden. Im weiteren Verlauf kam es zu einer GvHD mit bioptisch gesichertem Hautbefall. 3 Monate nach der Stammzelltransplantation entwickelte die Patientin proximal betonte Paresen der Beine mit Gangunfähigkeit. Neurographisch zeigte sich eine demyelinisierende sensomotorische Polyneuropathie mit zytoalbuminärer Dissoziation im Liquor. Durch eine Therapie mit Cortison und Ciclosporin konnte eine Wiedererlangung der Gehfähigkeit erreicht werden. Einige Monate nach Beendigung dieser Therapie traten wieder zunehmende Dysästhesien und Paresen auf. Im Serum konnten Sulfatid-IgM-Ak, GQ1b-IgM-Ak und GT1a-IgM-Ak nachgewiesen werden. In einer Suralisbiopsie ergab sich der Befund einer chronisch entzündlichen Neuropathie mit endoneuralen zytotoxischen T-Lymphozyten sowie Clustern aus CD68-positiven Makrophagen. Es wurde eine chronische GvHD diagnostiziert und eine Therapie mit intravenösen Immunglobulinen eingeleitet. Hierunter konnte eine anhaltende klinische Besserung erreicht werden. Schlussfolgerungen: Bei neurologischen Symptomen nach Stammzelltransplantationen muss an eine GvHD des Nervensystems gedacht werden. Chronische Neuritiden im Rahmen einer GvHD erfordern eine längerfristige immunmodulatorische Behandlung. Wegen der therapeutischen Konsequenz und der Möglichkeit einer leukämischen Nerveninfiltration sollte bei schweren Neuropathien nach einer Stammzelltransplantation eine Suralisbiopsie erfolgen.

Literatur: (1) Nagashima T, Sato F, Chuma T, et al. Chronic demyelinating polyneuropathy in graft-versus-host disease following allogenic bone marrow transplantation. Neuropathology 2002; 22: 1-8