Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - P006
DOI: 10.1055/s-0032-1301556

Diffusivitätscharakteristika des ipsiläsionellen Nucleus Ruber in Patienten nach Hemisphärektomie

T Rüber 1, R Lindenberg 2, M von Lehe 3, B Weber 1, CE Elger 1, JC Schoene-Bake 1
  • 1Klinik für Epileptologie, Universitätsklinik Bonn, Bonn
  • 2Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Charité, Berlin
  • 3Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinik Bonn, Bonn

Bei der Rehabilitation des Motorsystems nach Hemisphärektomie wurde cortico-rubro- und cortico-reticulo-spinalen Systemen eine entscheidende Rolle zugesprochen.1,2 Nach kürzlich veröffentlichten Studien mit Diffusion Tensor Imaging (DTI), die die Involvierung des Nucleus Ruber (NR) in der motorischen Rehabilitation nach Schlaganfall nahelegen,3,4 war es unser Ziel, diese Hypothese in Patienten nach funktioneller Hemisphärektomie5 zu untersuchen. Dafür wurden DTI-Datensätze von 14 dieser Patienten (zehn Frauen; Durchschnittsalter±SD 19,1±4,2 Jahre) erhoben und der Grad ihrer Parese der oberen und unteren Extremität mittels Motricity Index (MI) quantifiziert. Basierend auf ihrer Ätiologie wurden sie in drei Gruppen unterteilt: 1. Porenzephalie (n=7), 2. neuronale Entwicklungsstörungen (n=4), 3. Rasmussen-Enzephalitis (n=3). Auf den b0-Volumina der Patienten wurden kreuzförmige Regions of Interest mit sieben Voxeln im Center of Gravity der Nuclei Rubri definiert, um die dortige fraktionelle Anisotropie (FA) auszulesen und mit MIs in Beziehung zu setzen. Mit einfaktoriellen Varianzanalysen wurde der Einfluss der nach Ätiologie unterteilten Gruppen untersucht. Es zeigten sich einzig Haupteffekte auf die FA des ipsiläsionellen NR und auf den MI der oberen Extremität (siehe Abb. 1). Eine bivariate Korrelationsanalyse zwischen der FA der Nuclei Rubri und den MIs zeigte alleinig den folgenden Zusammenhang: Je höher die FA des ipsiläsionellen NR, desto höher der Grad der motorischen Behinderung der oberen Extremität (siehe Abb. 2). Dieser Zusammenhang erlaubt die Interpretation der beobachteten Diffusivitätscharakteristika als Resultat einer vorangegangenen plastischen Reorganisation des NR, die Ausdruck einer funktionellen Kompensation des Motordefizits in den Patienten ist. Der nachgewiesene Einfluss der Ätiologie auf FA und Paresegrad legt zusätzlich nahe, dass der operative Eingriff nicht als alleiniger Stimulus dieser Reorganisation zu werten ist.

Abb. 1: Mittelwerte von FA des ipsiläsionellen NR (A) und MI der oberen Extremität (B) der nach Ätiologie unterteilten Gruppen. Gruppe 1: Patienten mit Porenzephalie; Gruppe 2: Patienten mit neuronalen Entwicklungsstörungen; Gruppe 3: Patienten mit Rasmussen-Enzephalitis. Fehlerbalken zeigen Standardfehler des arithmetischen Mittels an. Einfaktorielle ANOVA zeigt signifikanten Haupteffekt von Gruppe auf FA des ipsioläsionellen NR (F(2,11)=22,3; p<0,001) und beinahe signifikanten Haupteffekt auf MI der oberen Extremität (p<0,077).

Abb. 2: Streudiagramm der Korrelationsanalyse zwischen MI der oberen Extremität und FA des ipsiläsionellen NR (Perasons r=–0,626; n=14; p=0,017).

Literatur: 1. Villablanca JR, Fomez-Pinilla F, Sonnier BJ, Hovda DA. Bilateral pericruciate cortical innervation of the red nucleus in cats with adult or neonatal cerebral hemispherectomy. Brain Res 1988;453:17-31. 2. Benecke R, Meyer BU, Freund HJ. Reorganisation of descending motor pathways in patients after hemispherectomy and severe hemispheric lesions demonstrated by magnetic brain stimulation. Exp Brain Res 1991;83:419-426. 3. Lindenberg R, Renga V, Zhu LL, Betzler F, Alsop D, Schlaug G. Structural integrity of corticospinal motor fibers predicts motor impairment in chronic stroke. Neurology 2010;74:280-287. 4. Yeo SS, Jang SH. Changes in red nucleus after pyramidal tract injury in patients with cerebral infarct. NeuroRehabilitation 2010;27:373-377. 5. Schramm J. Hemispherectomy techniques. Neurosurg Clin N Am 2002;13:113-134, ix.