Die aktuellen Kriterien (2010– McDonald-Kriterien) verfolgen das Ziel, die Diagnose
der Multiplen Sklerose (MS) noch früher zu ermöglichen. Die Kriterien basieren im
Wesentlichen auf die MRT Evidenz von Dissemination in Zeit und Raum und vereinfachen
dabei die Diagnosestellung, indem mit weniger MR-Untersuchungen eine Frühdiagnose
ermöglicht wird. Die Autoren (Pohlmann et al. 2011) sehen die Notwendigkeit einer
Liquoruntersuchung für die Diagnosestellung einer schubförmigen MS für nicht mehr
gegeben, da der Nachweis der räumlichen Disseminierung allein durch das MRT erfüllt
sei.
Besonders bei dem Ausschluss von Differentialdiagnosen kommt der Liquordiagnostik
eine große Bedeutung zu, da demyelinisierende Läsionen ein breites ätiologisches Spektrum
aufweisen können. Einen entzündlichen ZNS-Prozeß auszuschließen bzw. zu beweisen kann
gegenwärtig nur mit der Liquordiagnostik und nicht mittels einer MRT-Untersuchung
erfolgen. Zahlreiche Studien bei Patienten mit klinisch-isoliertem Syndrom zeigen,
dass das Vorliegen von intrathekal-produzierten oligoklonalen Banden das Risiko einer
Konversion in Multiple Sklerose unabhängig von dem MRT-Befund verdoppelt. Weiterhin
zeigen neuere Studien, dass der Nachweis einer MRZ-Reaktion im Vergleich zu anderen
Liquorparametern und MRT-Parametern mit einer noch höheren positiven Prädiktivität
einhergeht (Tumani et al. 2011). Insbesondere bei der Differenzierung von MS und Neuromyelitis
optica mit negativen Aquaporin–4-Antikörper-Status kann die MRZ-Reaktion hilfreich
sein.
Zu einfache Diagnosekriterien bergen die Gefahr einer limitierten differentialdiagnostischen
Abklärung. Ohne die Liquordiagnostik können MS-ähnliche Krankheitsbilder nicht sicher
von einer MS differenziert werden, so dass Fehldiagnosen und Fehltherapien die Folge
sein können. Daher sollte die Liquor-Untersuchung bei der Abklärung einer MS eingeschlossen
werden, auch wenn die neuen Diagnose-Kriterien eine Liquor-Analytik nicht für obligat
erachten.
Literatur: Polman CH, Reingold SC, Banwell B, et al. Diagnostic criteria for multiple sclerosis:
2010 revisions to the "McDonald Criteria". Ann Neurol 2011;69:292-302 Tumani H, Deisenhammer
F, Giovannoni G, Gold R, Hartung HP, Hemmer B, Hohlfeld R, Otto M, Stangel M, Wildemann
B, Zettl UK. Revised McDonald criteria: the persisting importance of cerebrospinal
fluid analysis. Ann Neurol 2011;70:520