Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - V136
DOI: 10.1055/s-0032-1301522

Effektive Konnektivität motorischer Schlüsselareale bei Gesunden und Schlaganfall-Patienten

C Grefkes 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Neurologie, Uniklinik Köln, Max-Planck-Institut für neurologische Forschung, Köln

Das sensomotorische System besteht aus einem Netzwerk kortikaler und subkortikaler Areale, die über exzitatorische und inhibitorische Schaltkreise in wechselseitiger Beeinflussung stehen. Die Balance innerhalb dieses Netzwerks kann durch eine Hirnläsion kritisch gestört werden. Funktionell bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) können Änderungen in der Konnektivität motorischer Hirnregionen nicht-invasiv mit hoher räumlicher Auflösung darstellen. Modell-getriebene Verfahren der „effektiven Konnektivität“ versuchen hierbei, Aktivität eines Areals durch den Einfluss eines anderen Areals zu erklären. „Dynamic Causal Modeling“ (DCM) ist ein speziell für die Analyse von fMRT Daten entwickeltes Konnektivitätsverfahren, mit Hilfe dessen endogene und Kontext-abhängige Kopplungszustände zwischen definierten Hirnregionen geschätzt werden können. Ein solcher Ansatz erscheint sehr hilfreich, um Phänomene der kortikalen Reorganisation von Hirnfunktionen zu untersuchen. So zeigt die DCM-Analyse motorischer fMRT Daten, dass Schlaganfall-Patienten eine selektive Störung im Interaktionsverhalten motorischer Schlüsselareale innerhalb und auch zwischen den Hemisphären aufweisen. Longitudinale DCM-Untersuchungen von der akuten zur chronischen Phase post-insultum stellen heraus, dass insbesondere die Wiederherstellung der Konnektivität zwischen den prämotorischen und primär motorischen Arealen der geschädigten Hemisphäre entscheidende Determinanten einer erfolgreichen Funktionserholung sind. Patienten mit weniger erfolgreicher Erholung entwickeln dagegen häufig eine gestörte Inhibition zwischen den Hemisphären. Solche Störungen der Konnektivität können mit nicht-invasiven Hirnstimulationsverfahren korrigiert werden. So führt eine Hemmung des primär motorischen Kortex der gesunden Hemisphäre mittels niederfrequenter repetitiver transkranieller Magnetstimulation (rTMS) zu einer Normalisierung intra- und interhemisphärischen Kopplungszustände von Schlaganfall-Patienten. Auch pharmakologische Stimulationsverfahren können krankhaft reduzierte Kopplungszustände motorischer Areale beeinflussen und zu einer Funktionsverbesserung basalmotorischer Fähigkeiten führen. Somit erlauben Verfahren der Konnektivität einen mechanistischen Einblick in die Pathophysiologie Schlaganfall-assoziierter Defizite und können dazu beitragen, neue Hypothesen-geleitete Therapieverfahren zur Verbesserung des neurologischen Outcomes von Patienten mit Hirnläsionen zu entwickeln.