Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - V117
DOI: 10.1055/s-0032-1301504

Intensivmedizinische Therapie der myasthenischen Krise

WF Haupt 1
  • 1Klinik für Neurologie, Uniklinik Köln, Köln

Klinik: Die myasthenische Krise tritt am häufigsten im Zusammenhang mit Infektionen bei Patienten mit länger bestehender Myasthenie auf. Weit seltener ist die myasthene Krise als Erstmanifestation oder als Folge einer unzureichenden Dauermedikation zu beobachten. Auch die reine cholinerge Krise ist nur ausnahmsweise anzutreffen. Typische Zeichen der myasthenischen Krise sind die Dysphagie und Dysarthrie mit nachfolgeneder Aspirations-Pneumonie, Ateminsuffizinez und Paresen der Extremitäten. Die Zeichen einer cholinergen Krise mit Faszikulationen und Krämpfen der Muskulatur (nikotinerge Wirkung) sowie Hypersekretion, Bradykardie und Diarrhoen (muskarinerge Wirkung) können die myasthenische Symptomatik begleiten, sind aber nur selten führend. Diagnostik: Die Diagnose der myasthenischen Krise kann meist aus der Anamnese und den klinischen Befunden, vorbekannten neurophysiologischen Befunden und ACH-AK gestellt werden. In der Regel sind die diagnostischen Massnahmen schon abgeschlossen, gelegentlich sind die Daten in der Akutsituation nicht verfügbar. Als Differentialdiagnosen sind zu bedenken: GBS, Polymyositis, toxische Myopathien, dyskaliämische Zustände sowie selten Botulismus und Organophasphatvergiftungen. Therapie: Die Akutbehandlung besteht in der intensivmedizinischen Überwachung mit Sicherung der Atemfunktion und rechtzeitiger Intubation bei meist schon bestehender Aspirationspneumonie, maschineller Beatmung und Antibiose. Als spezifische immunwirksame Therapien stehen Immunglobuline oder Hämaphereseverfahren (Plasmaaustausch oder Immunadsorption) zur Verfügung. Cortison stellt nicht die Therapie der ersten Wahl dar, da es in hohen Dosen zu einer vorübergehenden Verschlechterung ("dip") führen kann. Häufig ist das vorübergehende Absetzen aller Medikamente für 3 Tage ("Drug holiday") überraschend gut wirksam. Prognose: Wegen der günstigen Langzeitprognose der Myasthenia gravis ist der hohe Aufwand der Intensivtherapie stets gerechtfertigt.