Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - V115
DOI: 10.1055/s-0032-1301503

Diagnostik und Basistherapie der Myasthenie

G Stoll 1
  • 1Neurologische Klinik der Universität Würzburg, Würzburg

Die Myasthenia gravis (MG) ist mit 1–2 Neuerkrankungen/100.000 im Jahr eine relativ seltene Erkrankung und wird deshalb recht häufig erst mit Latenz zur klinischen Erstmanifestation diagnostiziert. Der MG liegt eine Störung der neuromuskulären Übertragung zugrunde, bei der es zu einer belastungsabhängigen Muskelschwäche kommt. MG-Patienten können in unterschiedlicher Kombination und Ausprägung eine Ptosis (ein –oder beidseitig), Doppelbilder, Schluck-, Kau- und Sprechstörungen, sowie eine Schwäche der Körpermuskulatur bis hin zur Ateminsuffizienz aufweisen. Differentialdiagnostisch kennzeichnend ist weniger die Muskelschwäche an sich, sondern die weitere Abnahme der Kraft bei wiederholter oder anhaltender Beanspruchung einzelner Muskelgruppen (u.a. reduzierte Haltezeiten). Die Verdachtsdiagnose einer MG lässt sich pharmakologisch, zum anderen elektrophysiologisch erhärten: Acetylcholinesterasehemmer bessern die Symptomatik rasch und eindrücklich. Eine elektrische Serienreizung von motorischen Nerven (N. facialis, N. accessorius, N. axillaris) mit üblicherweise 3/s führt bei der generalisierten MG zu einer charakteristischen Abnahme der Amplitude des Muskelantwortpotenzials (Dekrement) nach wenigen Reizen. Die MG ist eine Autoimmunerkrankung, bei der es zu einer Bildung von Autoantikörpern (Ak) gegen Acetylcholinrezeptoren (AchR) (90%) bzw. gegen eine muskelspezifische Serinkinase (MusK; 5%) an der neuromuskulären Endplatte kommt. Die Ak-Bestimmung stützt die Diagnose, etwa 5% aller Patienten mit generalisierter MG weisen allerdings keinen dieser Ak auf. Die Therapie der MG hat vier wesentliche Standbeine: (1) die symptomatische Behandlung mit Acetylcholinesterasehemmern, (2) die Immunsuppression vorzugsweise mit Steroiden (kurzfristig), Azathiprin bzw. Ciclosporin A (langfristig), (3) die Krisenintervention mittels Plasmaaustauschverfahren bzw. hochdosierten Immunglobulinen (siehe Beitrag Prof. Haupt) und (4) die Thymektomie (siehe Beitrag Prof. Schalke).