Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - V109
DOI: 10.1055/s-0032-1301500

Neuromodulation des motorischen Lernens: tDCS-Effekte bei der seriellen Reaktionszeitaufgabe

MA Nitsche 1
  • 1Abteilung Klinische Neurophysiologie, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen

Die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) ist ein nicht-invasives Verfahren der Neuromodulation, mit dem kortikale Erregbarkeitsveränderungen erzielt werden können, wie sie auch bei Lernvorgängen vorkommen. Der Einsatz dieses Verfahrens zur Modulation von Lernvorgängen liegt somit nahe. Wir haben uns am Modell des motorischen Lernens mit der Fragestellung beschäftigt, welche Stimulationsparameter geeignet sind, die Lernleistung zu verbessern. Als Lernprotokoll wurde die serielle Reaktionszeitaufgabe (SRTT) verwendet. Zunächst konnten wir zeigen, dass erregbarkeitserhöhende anodale tDCS, die über dem primären motorischen Kortex während der Durchführung der Aufgabe appliziert wird, die Lernleistung verbessert. Von diesem kortikalen Areal ist eine Beteiligung an der frühen Phase des motorischen Lernens bekannt. Stimulation prämotorischer oder präfrontaler Areale während des Lernvorganges verbesserte die Lernleistung dagegen nicht. In einer weiteren Studie konnten wir zeigen, dass Stimulation desselben kortikalen Areals vor dem Lernvorgang die Leistung nicht beeinflusst. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass eine spezifische Interaktion der Effekte der Stimulation mit den physiologischen Korrelaten des Lernvorganges zur Leistungsverbesserung erforderlich ist. Schließlich konnten wir nachweisen, dass anodale tDCS des prämotorischen Kortex während der Konsolidierung der Lerninhalte im Rahmen des REM-Schlafes ebenfalls die Leistung in der getesteten motorischen Aufgabe verbesserte. Die Ergebnisse der vorliegenden Studien zeigen, dass eine Verbesserung motorischen Lernens durch tDCS möglich ist, dass spezifische Charakteristika des Stimulationsprotokolls, wie Stimulationspolarität, Zeitpunkt der Stimulation in Relation zur Aufgabendurchführung und stimuliertes Areal von entscheidender Bedeutung sind, und dass diese Stimulationscharakteristika in Beziehung zu natürlich vorkommenden neuroplastischen Veränderungen während des Lernens stehen.

Literatur: Kuo MF, Unger M, Liebetanz D, Lang N, Tergau F, Paulus W, Nitsche MA. (2008). Limited impact of homeostatic plasticity on motor learning in humans. Neuropsychologia 46, 2122-2128. Nitsche MA, Jakoubkova M, Thirugnanasambandam N, Schmalfuss L, Hullemann S, Sonka K, Paulus W, Trenkwalder C, Happe S (2010). Contribution of the premotor cortex to consolidation of motor sequence learning in humans during sleep. J Neurophysiol 104, 2603-2614. Nitsche MA, Schauenburg A, Lang N, Liebetanz D, Exner C, Paulus W Tergau F (2003c): Facilitation of implicit motor learning by weak transcranial direct current stimulation of the primary motor cortex in the human. J Cog Neurosci 15, 619-626.