Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - V072
DOI: 10.1055/s-0032-1301475

Neuronale Mechanismen von Belohnungsverarbeitung und Impulskontrolle und ihre Störungen bei unipolarer Depression und bipolarer Erkrankung

O Gruber 1
  • 1Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen

Ziele: Anhedonie als Störung normaler Belohnungsverarbeitung ist ein Kernsymptom der Depression, und die Manie ist oft durch eine gestörte Kontrolle von Impulsen gekennzeichnet. Ziel der präsentierten Studien war die Untersuchung der neuronalen Mechanismen, die diesen Funktionen des menschlichen Gehirns zugrunde liegen, und ihrer Störungen bei unipolarer und bipolarer affektiver Erkrankung.

Methodisches Vorgehen: Mittels funktioneller MRT bei 3T und des sog. „Desire-Reason-Dilemma (DRD)“-Paradigmas (Diekhof & Gruber 2010) wurde die Verarbeitung arbiträrer, konditionierter Belohnungsreize sowie die Fähigkeit zur Unterdrückung von durch diese Reize ausgelösten Handlungsimpulsen untersucht. Hierbei wurden Patienten mit einer unipolaren Depression, Patienten mit einer bipolaren affektiven Störung, Angehörige 1. Grades und gesunde Normalprobanden untersucht.

Ergebnisse: Beide Patientengruppen zeigten ein normales Ansprechen der VTA und des Nucleus accumbens auf die konditionierten Belohnungsreize. Die Suppression des Belohnungssignals im Nucleus accumbens als Zeichen der situativ notwendigen Unterdrückung von Handlungsimpulsen war bei beiden Patientengruppen signifikant reduziert. Bei der Gruppe der bipolaren Patienten war eine signifikante reduzierte funktionelle Kopplung zwischen Nucleus accumbens und anteroventralem präfrontalen Kortex hiermit assoziiert.

Schlussfolgerung: Sowohl bei Patienten mit bipolarer affektiver Störung als auch bei Patienten mit unipolarer Depression finden sich Hinweise auf eine Störung kognitiver Kontrollmechanismen, die eine Entkopplung des Verhaltens von unmittelbaren Belohnungsreizen ermöglichen. Laufende Studien sollen prüfen, ob es sich hierbei um State- oder um Traitmarker der Erkrankungen handelt und ob diese Neuroimaging-Marker mit genetischen Faktoren in Zusammenhang stehen, die für die Entwicklung affektiver Störungen prädisponieren könnten.