Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - V042
DOI: 10.1055/s-0032-1301455

Spontane Reorganisation nach frühen Hirnläsionen – welche Unterschiede sind klinisch relevant?

M Staudt 1
  • 1Klinik für Neuropädiatrie und Neurorehabilitation, Epilepsiezentrum für Kinder und Jugendliche, Schön Klinik, Vogtareuth

Ziel: Spontane Reorganisationsprozesse nach frühen Hirnläsionen können mit funktioneller Bildgebung und neurophysiologischen Methoden erfasst werden. Dieser Beitrag schildert die klinische Relevanz dieser Verfahren bei Kindern mit frühen Hirnläsionen, mit Fokus auf das sensomotorische System.

Methodik: fMRT, TMS, MEG, DTI.

Ergebnisse: Vor neurochirurgischen, insbesondere epilepsiechirurgischen Eingriffen sollte bei Kindern mit früh erworbener Hemiparese nach einer Verschiebung motorischer Funktionen aus der geschädigten in die kontra-läsionelle Hemisphäre gefahndet werden. Fallberichte deuten darauf hin, dass der Nachweis von ipsilateralen motorisch evozierten Potentialen bei TMS der kontra-läsionellen Hemisphäre bei fehlendem Nachweis von kontralateralen motorisch evozierten Potentialen bei TMS der läsionellen Hemisphäre eine erhaltene Greiffunktion der paretischen Hand nach Hemisphärektomie vorhersagen kann. Dabei kann die somatosensorische Handrepräsentation kontralateral (in der geschädigten Hemisphäre) erhalten sein, was zu bilateralen Aktivierungsmustern in der fMRT (aktive Handbewegung) führen kann. Hemiparetische Kinder mit ipsilateralen kortiko-spinalen Bahnen sprechen auch anders auf funktionelle therapeutische Maßnahmen an als Kinder mit gekreuzten kortiko-spinalen Bahnen, sowohl auf Verhaltensebene als auch auf kortikaler Ebene. Aus diesen Befunden entwickeln sich derzeit unterschiedliche Therapiekonzepte in Abhängigkeit vom kortiko-spinalen Organisationstyp.

Schlussfolgerung: Bei Kindern mit frühen Hirnläsionen sollte vor neurochirurgischen Eingriffen und potentieller Gefährdung sensomotorischer Funktionen prä-operativ nach Reorganisationsphänomenen gefahndet werden, weil diese Informationen das operative Vorgehen beeinflussen können. Daneben kann die Erkennung von ipsilateraler motorischer Reorganisation die funktionell-therapeutischen Herangehensweisen bei hemiparetischen Kindern beeinflussen.