Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - V038
DOI: 10.1055/s-0032-1301451

EEG-Langzeit-Monitoring auf der neurologischen Intensivstation

M Holtkamp 1
  • 1Klinik für Neurologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin

Während Patienten auf der Intensivstation (ITS) von Beginn an hinsichtlich ihrer kardio-pulmonalen Funktionen überwacht werden, stand ein kontinuierliches Monitoring der Hirnfunktionen lange Zeit eher im Hintergrund. Dies ist umso erstaunlicher bei Patienten mit Bewusstseinsstörungen oder Koma als Folge einer akuten Hirnerkrankung oder der iatrogenen Gabe von Anästhetika. Dank der technischen Entwicklung ist es nun möglich, bei intensivmedizinisch versorgten Patienten ein kontinuierliches digitales Elektroenzephalogramm (EEG) aufzuzeichnen und zu überwachen. Es gibt fünf relevante Indikationen für das kontinuierliche EEG auf der ITS: (1) Einschätzung und Steuerung der Sedierungstiefe bei Patienten mit pharmakologisch induziertem Koma, z.B. bei der Behandlung des erhöhten intracraniellen Drucks; (2) Detektion neu aufgetretener Ischämien, z.B. in Folge eines Vasospasmus bei Patienten mit Subarachnoidalblutung; (3) Einschätzung der Prognose, z.B. bei Patienten mit globaler Hypoxie nach Herz-Kreislauf-Stillstand; (4) epileptologisch-syndromale Einschätzung, z.B. refraktärer Status epilepticus vs. Status pseudoepilepticus; und (5) Detektion und weitere Überwachung subklinischer Anfallsaktivität in Form isolierter Anfälle oder eines Status epilepticus. Die letztgenannte Indikation stand in den vergangenen Jahren im Fokus des Forschungsinteresses, aber eine Reihe von Fragen ist hier noch ungeklärt. Mehrere Studien berichteten über subklinische epileptische Aktivität bei 16–48% der Neuro-ITS Patienten, intracranielle Ableitungen zeigen eine höhere Rate als das Oberflächen-EEG an. Aber was bedeuten diese elektroenzephalographischen Daten im klinischen Kontext? Sind diese EEG-Veränderungen Marker oder Ursache einer schlechten Prognose? Bedürfen sie einer sofortigen und mitunter aggressiven antiepileptischen Therapie, die allerdings ihrerseits den Patienten gefährden kann? Weitere Studien sind notwendig, um die Rolle des kontinuierlichen EEGs auf der ITS besser zu definieren.