Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - V027
DOI: 10.1055/s-0032-1301443

Stimulations-induzierte und übungsabhängige Plastizität

D Zeller 1
  • 1Neurologische Klinik der Universitätsklinik Würzburg, Würzburg

Einleitung: Die Multiple Sklerose (MS) führt zu einer demyelinisierenden und axonalen Schädigung des ZNS. In frühen Krankheitsstadien steht der nachweisbaren Läsionslast oft eine vergleichsweise milde klinische Symptomatik gegenüber. Wesentlichen Anteil an der erfolgreichen Kompensation haben wahrscheinlich neuroplastische Prozesse, die zu einer Modifikation synaptischer Effizienz führen und mittelfristig eine Reorganisation zur Folge haben können, wie bei MS-Patienten in funktionellen Aktivierungsstudien gezeigt. Methoden: Exzitabilität-steigernde (LTP-artige) und -reduzierende (LTD-artige) motorische Plastizität spielen sich auf einer Zeitskala von früh einsetzender (und kurz anhaltender) Plastizität bis hin zur Langzeitreorganisation ab. Wir verwendeten die assoziative Paarstimulation (LTP-artig) und die Theta-burst-Stimulation (LTD-artig) zur Klärung der Frage, ob stimulationsinduzierte Plastizität bei MS-Patienten gestört ist. Übungsabhängige Plastizität wurde mithilfe einer motorischen Lernaufgabe untersucht. Zur Prüfung der Langzeitreorganisation bei MS-Patienten kam eine Reaktionszeitaufgabe mit Single-pulse-TMS zum Einsatz. Ergebnisse: Die früh einsetzende LTP-artige motorische Plastizität ist bei mäßiggradig betroffenen MS-Patienten nicht gestört, unabhängig davon, ob sie mittels Stimulation oder motorischer Übung induziert wird. Auch die LTD-artige motorische Plastizität bleibt bei diesen Patienten intakt. Mittels virtueller Läsionen während einer Reaktionszeitaufgabe wurde gezeigt, dass die Rekrutierung ipsilateraler motorischer Areale bei MS-Patienten funktionell relevant ist. Diskussion: Kurzzeitig mobilisierbare neuronale Plastizität ist bei mäßig betroffenen MS-Patienten trotz plastizitätshindernder Faktoren ungestört. Lang anhaltende Adaptationsprozesse auf der Basis neu gebildeter Verbindungen sind vermutlich Trägermechanismus der Kompensation der ZNS-Schädigung bei MS, so dass rehabilitative Therapien auf diese Mechanismen zielen sollten.