Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - V023
DOI: 10.1055/s-0032-1301439

Spielsucht auf Rezept? Impulsivität bei der Parkinsonerkrankung

T van Eimeren 1
  • 1Klinik für Neurologie, UKSH, Campus Kiel, Kiel

Seit einiger Zeit rücken psychiatrische Komplikationen der dopaminergen Therapie beim M. Parkinson in den Fokus der Aufmerksamkeit. Verhaltensstörungen wie Impulskontrollstörungen, das Dopaminerge Dysregulationssyndrom und das sogenannte punding sind trotz z.T. schwerwiegender sozialer, psychischer und physischer Konsequenzen für die Patienten bislang vermutlich unterdiagnostiziert, da sie von ihnen nur selten spontan berichtet werden [1]. Nicht alle Parkinsonpatienten entwickeln im Laufe ihrer Erkrankung Störungen des Verhaltens oder der Impulskontrolle. Es konnten mittlerweile für die verschiedenen Verhaltensstörungen potentielle Risikofaktoren identifiziert werden (z.B. Dopaminagonisten für Impulskontrollstörungen) [2]. Impulskontrollstörungen bei Parkinsonpatienten scheinen mit Veränderungen in der Funktion von Netzwerken assoziiert zu sein, die Belohnungen verarbeiten bzw. Belohnungseffekte vermitteln und/oder Risikoaspekte von Entscheidungen evaluieren [3]. Eine Hauptwirkung von dopaminergen Medikamenten scheint dabei zu sein, das Belohnungssystem zu desensibilisieren. Funktionelle Bildgebungsstudien haben hier gezeigt, dass wohl die tonische Stimulation von D2-Rezeptoren den Effekt des phasischen Abfalls der Dopaminausschüttung bei negativem Feedback ausmerzt und so möglicherweise zu einer Art Fehlprogrammierung führt [4]. Sowohl die Dichte der präsynaptischen Dopamintransporter, als auch die Zahl der unbelegten postsynaptischen D2-Rezeptoren ist bei vulnerablen Patienten scheinbar stark erniedrigt [5,6]. Aktivierungsstudien zeigten eine durch Dopaminagonisten hervorgerufene Deaktivirung inhibitorischer fronto-limbischer Netzwerke nur bei solch vulnerablen Patienten [7]. Im Liche dieser Befunde erscheint ein konstitutionell hoher Dopaminspiegel in den Synapsen des Belohnungssystems als entscheidende Gefährdung gut möglich [8].

Literatur: 1. Weintraub, D., et al., Impulse control disorders in Parkinson disease: a cross-sectional study of 3090 patients. Arch Neurol, 2010. 67: p. 589-95. 2. Voon, V., et al., Impulse control disorders in parkinson disease: A multicenter case-control study. Ann Neurol, 2011. 69:986-96. 3. Riba, J., et al., Dopamine agonist increases risk taking but blunts reward-related brain activity. PLoS One, 2008. 4. van Eimeren, T., et al., Dopamine agonists diminish value sensitivity of the orbitofrontal cortex: a trigger for pathological gambling in Parkinson's disease? Neuropsychopharmacology, 2009. 34: p. 2758-66. 5. Steeves, T.D., et al., Increased striatal dopamine release in Parkinsonian patients with pathological gambling: a [11C] raclopride PET study. Brain, 2009. 132: p. 1376-85. 6. Cilia, R., et al., Reduced dopamine transporter density in the ventral striatum of patients with Parkinson's disease and pathological gambling. Neurobiol Dis, 2010. 39: p. 98-104. 7. van Eimeren T, et al. Drug-induced deactivation of inhibitory networks predicts pathological gambling in PD. Neurology. 2010. 75: p. 1711-6. 8. Cilia R, van Eimeren T. Impulse control disorders in Parkinson's disease: seeking a roadmap toward a better understanding. Brain Struct Funct. 2011. 216: p. 289-99.