Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - V014
DOI: 10.1055/s-0032-1301431

Auswirkungen der THS auf die Identität der Patienten

C Woopen 1
  • 1Forschungsstelle Ethik, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Köln

Eingriffe in das Gehirn erscheinen als besonders tiefe Eingriffe in die Person selbst. Diese weithin geteilte Intuition beruht darauf, dass dem Gehirn und seinen Funktionen im menschlichen Organismus eine Sonderstellung als zentrales Integrationsorgan zukommt. Zudem ist das funktionierende Gehirn die notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für Selbstbewusstsein und rationale Akte, so dass die Vermutung nahe liegt, dass Veränderungen des Gehirns auch Veränderungen des Selbstverhältnisses und wesentlicher Aspekte der Identität einer Person mit sich bringen. Bislang sind Auswirkungen der Tiefen Hirnstimulation auf die Identität der Patienten nicht systematisch und nicht ausreichend untersucht worden. Es gibt jedoch einzelne Berichte z.B. über Veränderungen von Stimmung, Verhaltensweisen und zentralen Einstellungen von Patienten unter tiefer Hirnstimulation, die die Fragen aufwerfen, ob es zu Veränderungen der Identität kommen kann, wenn ja welchen, und was dies für die ethische Analyse der tiefen Hirnstimulation bedeutet. In diesem Vortrag wird zunächst eine konzeptionelle Unterscheidung zwischen Identität im Sinne individueller Identität einerseits und Persönlichkeit andererseits eingeführt. Vor diesem Hintergrund werden ausgewählte Ergebnisse der vom BMBF geförderten deutsch-kanadischen Studie ELSA-DBS (Ethical, legal and social aspects of deep brain stimulation – health, personal identity and quality of life) vorgestellt. Auf der Grundlage von mit den Patienten und ihren Angehörigen geführten Interviews werden Häufigkeit und Art wahrgenommener Veränderungen der Identität der Patienten präsentiert sowie diskutiert. Abschließend wird aufgezeigt, welche Folgerungen für die Versorgung von Patienten mit tiefer Hirnstimulation daraus aus ethischer Perspektive zu ziehen sind.