Arzneimittelforschung 2010; 60(11): 717-718
DOI: 10.1055/s-0031-1300730
PMS-Symposium: Innovative Therapies in Hepatology
Editio Cantor Verlag Aulendorf (Germany)

Pathophysiologie der portalen Hypertension als Voraussetzung innovativer Therapien

Sauerbruch Tilman
1   Medizinische Klinik und Poliklinik I, Medizinische Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn
,
Trebicka Jonel
1   Medizinische Klinik und Poliklinik I, Medizinische Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn
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Publication Date:
30 December 2011 (online)

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Die portale Hypertension wird konventionell in einen prähepatischen (z.B. Pfortaderthrombose), intrahepatischen (z.B. Leberzirrhose) und posthepatischen Block (z.B. Budd-Chiari-Syndrom) gegliedert. Die verschiedenen Ätiologien der portalen Hypertension führen zu unterschiedlichen Folgezuständen. Beim prähepatischen Block liegt vor allem ein erhöhtes Risiko vor, aus Varizen zu bluten, während die Leberfunktion meist intakt bleibt. Bei der Strategiewahl geht es also darum, die jeweilige Blutungsquelle effizient durch lokale Maßnahmen zu kontrollieren oder ausgesuchte Patienten durch eine modifizierte Shunt-Operation zu behandeln [1].

Beim intrahepatischen Block und auch beim posthepatischen Block liegt häufig eine Verschlechterung der Leberfunktion vor. Diese ist zum Teil mit einer Dysfunktion der Niere verbunden. Das vordringliche Problem der portalen Hypertension in diesen Situationen stellt mehr die Aszitesbildung als die Varizenblutung dar. Eine Lebertransplantation muss dabei immer mit ins Kalkül gezogen werden [2] [3].

Gerade bei der Leberzirrhose kann man in der Leber neben der fixierten Komponente der portalen Hypertension (Bindegewebsvermehrung mit Erhöhung des Ausflusswiderstands für das portalvenöse Blut) eine dynamische unterscheiden (Gefäßkonstriktion). Die Pathophysiologie beider Veränderungen ist durch die hepatischen Sternzellen miteinander verknüpft, und es ergeben sich daraus neue therapeutische Ansätze [4].

So wissen wir heute, dass die Leberfibrose und damit die mechanische Komponente des portalen Hypertonus durch eine rechtzeitige antivirale Therapie zu verhindern ist [5]. Anderseits können auch bestimmte Substanzen –selbst bei persistierender Schädigung – die Aktivierung der hepatischen Sternzellen (HSC) und die nachfolgende Bindegewebsvermehrung auf verschiedenen Wegen beeinflussen. So verhindert/mildert im Tiermodell die Gabe von AT1-Rezeptorantagonisten oder Statinen die Fibrosebildung [6] [7] [8].

Zur Beeinflussung der dynamischen Komponente spielen vor allem Strategien der Relaxation der HSC eine wesentliche Rolle. Gleichzeitig besteht bei der Leberzirrhose unabhängig von ihrer Ätiologie eine endotheliale und glattmuskuläre Dysfunktion der Gefäße, die außerhalb der Leber einen anderen Charakter hat als in der Leber. In der Leber sind bestimmte, für die Entstehung des portalen Hypertonus wichtige Gefäße (durch die

Kontraktion der HSC) enggestellt und erhöhen dadurch den intrahepatischen Perfusionswiderstand, während außerhalb der Leber, ganz besonders auch im Splanch-nicusgefäßbett, eine Vasodilatation besteht [9].

Die Mediatoren für Gefäßreaktionen sind vielfältig. Eine wesentliche Rolle spielt Stickstoffmonoxid (NO). Gleichzeitig bestehen jedoch gegensätzliche Postrezeptorregulationen in der aktivierten HSC und der glatten Muskelzelle. Dies führt dazu, dass die Gefäßantwort in der Leber und extrahepatisch gegensätzlich ist [9]. Derzeit werden neue organspezifische Therapien erforscht. Hier werden Behandlungen mit HSC-spezifischen AT1-Rezeptorinhibitoren, ß3-Adrenozeptoragonisten, intrahepatische NO-Donatoren, Angiogenesehemmer, Statine, Amilorid, Leukotrienantagonisten, spezielle Cyclooxigenaseinhibitioren oder Antioxidanzien angedacht [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22] [23]. Sie führen zur Senkung des intrahepatischen Widerstandes. Bei all diesen Therapieansätzen muss die Auswirkung auf die Nierenfunktion und damit auch auf die Aszitesbildung bedacht werden. Behandlungsstrategien der Beeinflussung vasokonstriktorischer Rezeptoren zur Erhöhung des splanchnischen Widerstandes und damit Verbesserung der Nierenfunktion sind in Tierexperimenten erprobt (AT1-Rezeptor, Urotensinre-zeptor) [12] [24]. Die seit langem etablierte Therapie mit nichtselektiven β-Blockern bei der Leberzirrhose wird unter diesem Gesichtspunkt derzeit neu definiert, insbesondere, wenn eine Herzinsuffizienz besteht [25].

Schlecht geklärt sind die auslösenden Mechanismen für sehr ähnliche Phänomene bei unterschiedlichen Formen der Leberzirrhose. Neben der gemeinsamen Endstrecke portaler Hypertonus spielt sicher auch die Interaktion zwischen Intestinum (bakterielle Translokation) und der Leber bzw. der systemischen Zirkulation eine Rolle [26] [27]. Auch hier werden neue Therapieansätze erprobt, z. B. mit nicht resorbierbaren Antibiotika [28].