ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2011; 120(11): 543
DOI: 10.1055/s-0031-1299671
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Wer viel fragt …

Cornelia Gins
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Publication Date:
15 December 2011 (online)

… bekommt auch viele Antworten. Zu keiner Zeit war es möglich, so viele Informationen aus schier unendlichen Quellen schöpfen zu können. Doch sind wir überhaupt noch in der Lage, diese Informationsflut zu verarbeiten?

Einerseits werden viele Dinge an uns herangetragen, die wir eigentlich gar nicht wissen wollen. So etwas kann Angst schüren und unterstützt unter Umständen das gerade mal wieder diskutierte Burn-out-Syndrom. Ungeachtet dessen bleibt aber das Gefühl etwas Wichtiges verpassen zu können, wenn man nicht permanent seine E-Mails checkt oder im Internet surft. Andererseits sind wir Ärzte beispielsweise darauf angewiesen, so viel Information wie möglich zu bestimmten Krankheitsbildern oder Therapieplanungen abrufen zu können. Schon lange reicht das klassische Fachbuch und die -zeitschrift nicht mehr aus. Doch wann wird aus einer Information auch Wissen? Wie oft fällt auf, dass man zu einer Fragestellung sehr unterschiedliche Antworten erhält, die sogar diametral auseinanderliegen können. Die Hormonersatztherapie oder die Medikamente gegen den erhöhten Cholesterinspiegel mögen da nur 2 Beispiele sein. In unserem Fachgebiet bestand lange Unsicherheit im Hinblick auf die Tablettenfluoridierung.

Viele Patienten tappen in diese Informationsflutfalle. Etwas beim Arzt aufgeschnappt oder beim Friseur gelesen und schon wird sich durchs Internet gezappt, und es entsteht mehr Verunsicherung denn Aufklärung. Vermeintliche eigene Symptome werden mit den beschriebenen verglichen und schon wird so aus dem Problemchen ein Problem. Oft schreitet man zur Selbsttherapie, häufig mit dubiosen Medikamenten. Wir Ärzte sind gegenüber unseren Patienten im Vorteil. Wir können anhand unserer Erfahrung (sofern wir schon genug davon haben) eventuell die Spreu vom Weizen trennen. Sie entscheidet, ob das Gelesene für die eigene Therapieentscheidung relevant sein kann oder nicht. Doch hier lauert ein weiteres Problem. Erfahrung ist keine objektive Größe, sodass die Schlüsse und Entscheidungen, die von unterschiedlichen Personen aus der gleichen Information gezogen werden, unter Umständen zu ganz anderen Ergebnissen führen können. Das sieht man beispielsweise bei der gutachterlichen Tätigkeit. Oft ist es für den Gutachter nicht leicht nachzuvollziehen, was zu der Entscheidung für die Therapieplanung geführt hat.

Auf der einen Seite ist es ein Segen, dass so viele Möglichkeiten, ob elektronisch oder gedruckt, zur Verfügung stehen, seinen beruflichen und persönlichen Horizont zu erweitern. Doch leider kann kein Netz und keine Literatur darüber entscheiden, wie relevant die Information für den Einzelnen sein mag. Die Erfahrung und leider auch die Fehler muss trotzdem jeder selber machen. Vielleicht ist das der Fluch, dass viele Fragen inzwischen zu viele Antworten hervorbringen.

Ihre

Cornelia Gins