Geburtshilfe Frauenheilkd 2012; 72(5): 376-377
DOI: 10.1055/s-0031-1298515
Geschichte der Gynäkologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Instrumente und ihre Namensgeber. Günther Karl Friedrich Schultze und das Hysterosalpingografiegerät

Matthias David
,
Andreas D. Ebert
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Publication Date:
30 May 2012 (online)

Günther Karl Friedrich Schultze ([Abb. 1]) wurde 1896 in Heringsdorf/Pommern geboren. Nach einem 4-jährigen Kriegseinsatz von August 1914 bis November 1918 studierte er in Heidelberg und Berlin Medizin. 1923 trat Schultze in die damals neben der Münchener Klinik bedeutendste deutsche Universitäts-Frauenklinik, die Klinik in der Berliner Artilleriestraße unter Ernst Bumm, ein. 1930 habilitierte Schultze sich hier unter Bumms Nachfolger Walter Stoeckel (1871–1961), wurde 1933 zum Oberarzt der Klinik und 1937 zum a. o. Professor ernannt. In Berlin hat sich G. K. F. Schultze vorrangig mit der gynäkologischen und geburtshilflichen Röntgendiagnostik und -therapie beschäftigt. Zum 1. Oktober 1938 wurde Schultze als Nachfolger von Ernst Philipp (1893–1961), der nach Kiel ging, auf den Greifswalder Lehrstuhl berufen, wo er nun als Direktor der Frauenklinik, Poliklinik und Hebammen-Lehranstalt eines der bedeutendsten Sterilitätszentren im damaligen Deutschen Reich errichtete. Sterilitätsdiagnostik und -therapie wurden erheblich ausgebaut sowie die homologe und heterologe Insemination als Therapieoptionen eingeführt. In der Klinik wurde ein ganzer Gebäudekomplex für diese Zwecke genutzt [2]. 1939 veröffentlichte Schultze seine wichtige Monografie „Gynäkologische Röntgendiagnostik. Hysterosalpingographie, Physiologie und Pathologie der gynäkologischen Kontrastdarstellung“, die auf seiner 12-jährigen Erfahrung in der UFK Berlin beruhte. Hier findet sich auch eine gute Darstellung des Hysterosalpingografiebestecks nach G. K. F. Schultze, das bis heute in vielen Kliniken unter der Kurzbezeichnung Schultzeʼsches Gerät für die Durchführung einer Chromopertubation benutzt wird [3]. Auf das Ende eines über 30 cm langen Füllrohres wird ein Konus aufgeschraubt, der in 3 Größen vorliegt und sich der Größe der Portio und der Weite des äußeren Muttermunds anpasst. Am anderen Ende des Füllrohrs kann eine 10- oder 20-ccm-Spritze aufgesetzt werden, ein Hahn verhindert unbeabsichtigten Rückfluss von Farbstoff- oder Kontrastmittel. Besonders auffällig ist die mit einem Zahnradgestänge verbundene Konstruktion der Greifhaken für die Kugelzangengriffe, die in die Muttermundslippe eingesetzt werden ([Abb. 2] und [3]).

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Abb. 1 Porträtfoto G. K. F. Schultze (1896–1945) (Quelle: Bundesarchiv).
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Abb. 2 Instrumentarium zur Hysterosalpingografie nach Schultze (Quelle: LAWTON-Chirurgie-Katalog 2/1980, Typodruck Gagstatter, Tuttlingen, S. 545).
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Abb. 3 Modernes Schultzeʼsches Gerät mit 3 auswechselbaren Uterusverschlusskegeln (ohne Druckmanometer) (Foto: M. David).

Schultze galt seinen Zeitgenossen als überzeugter Nationalsozialist. Wohl deswegen und wegen seiner fachlichen Qualifikation wurde er schon in den ersten Jahren nach der Gründung des „Lebensborn e. V.“ von diesem als Berater verpflichtet. Der „Lebensborn“ war Teil der nationalsozialistischen Geburtenpolitik, deren erklärtes Ziel die Bekämpfung des Geburtenrückgangs in Deutschland war. Schultze wurden zunächst jeden Monat die Geburtsberichte der Lebensborn-Entbindungsheime zur Auswertung geschickt [4]. Auch ein Briefwechsel mit dem Reichsarzt-SS, Prof. Dr. Grawitz, betreffend „Mensesbeginn und Fruchtbarkeitsdauer“ von 1942 zeigt seine besondere Rolle im medizinischen Machtapparat des III. Reiches. In den 1940er-Jahren bekleidete Schultze den SS-Rang eines Hauptsturmführers [4]. Am 30. April 1945 übergab Prof. Schultze die Greifswalder Universitäts-Frauenklinik an die sowjetische Armee [2]. G. K. F. Schultze und seine Frau Margarete nahmen sich am 1. oder 2. Mai 1945 durch eine Überdosis Morphium das Leben, nachdem es offenbar zu Massenvergewaltigungen von im Direktorenhaus untergebrachten Frauen durch Angehörige der Roten Armee gekommen war. Sie wurden zunächst auf dem Klinikgelände begraben [5].

Literatur bei den Autoren.