pferde spiegel 2012; 15(2): 75
DOI: 10.1055/s-0031-1298505
im spiegel
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Zahnerkrankungen beim Esel – warum Routinekontrollen so wichtig sind

Susanne Pichon
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Publication Date:
15 June 2012 (online)

Du Toit N, Dixon PM. Common dental disorders in the donkey. Eq Vet Ed 2012; 24 (1): 45–51

Deutsche Zusammenfassung: Susanne Pichon, Ochsenfurt

Zahnerkrankungen haben besonders beim älteren Esel mit bis zu 93 % eine sehr hohe Prävalenz. Dies ist besonders auf dessen Langlebigkeit und das mangelnde Bewusstsein der Notwendigkeit von Zahnkontrollen beim Besitzer zurückzuführen. Über die wesentlichsten Punkte hierbei berichtet nun eine Veröffentlichung aus Großbritannien.

Da Esel eher selten als Reittier zum Einsatz kommen und somit keine Probleme mit dem Trensengebiss entstehen, sie als sehr stoisch gelten, besonders schmerztolerant sind und erst im fortgeschrittenen Erkrankungsverlauf an Gewicht verlieren, fallen dem Besitzer Zahnerkrankungen häufig sehr spät auf. Die hypsodonten (hochkronigen), stets nachwachsenden Zähne ähneln in ihrer Anatomie und histologischen Beschaffenheit denen der Pferde, womit Wesen und Therapie der bestehenden Zahnerkrankungen häufig eins zu eins übertragen werden können.

Dem Besitzer fallen noch am ehesten Veränderungen an den Schneidezähnen auf. Prognathie und Brachygnatie treten auch beim Esel in Erscheinung. Ebenfalls können die Incisivi sekundär durch eine Fehlerhaftigkeit der Backenzähne beeinflusst werden. Die Canini hingegen weisen in erster Linie z. T. massive Zahnsteinansammlungen auf. Anders als beim Pferd machen die ersten Prämolaren im Oberkiefer (Wolfszähne) beim Esel eher weniger Probleme, da sie hierzulande, wie bereits erwähnt, seltener als Reittier Verwendung finden.

Esel haben eine markante, physiologische Anisognathie, womit die Backenzähne des Oberkiefers nur zu einem knappen Drittel auf denen des Unterkiefers zu liegen kommen. Damit wird zwar bei der Kautätigkeit die Kaufläche vergrößert, der Entstehung scharfer Kanten wird jedoch Vorschub geleistet. Ausgefallene Backenzähne führen hingegen besonders in der Unterkieferzahnreihe zum Auseinanderdriften der Zähne. Es entstehen gefürchtete Zahnzwischenräume (Diastemata), in denen sich Futterpartikel verkeilen können, was zu Gingivitis und Periodontalerkrankungen führen kann. Dentalverluste sind mitunter die Folge.

Die Verlagerung von Zähnen, besonders nach lateral, ist ebenfalls ein Problem des geriatrischen Eselgebisses und wird in der Literatur mit bis zu 40 % angegeben. Sie resultiert jedoch meist aus einem Platzproblem bei Eruption der bleibenden Zähne im juvenilen Alter. Ebenfalls wie beim Pferd bekannt, führt der Verlust eines Zahnes zum übermäßigen Wachstum des Gegenspielers. Ein Meißelzahn entsteht. Hierdurch wird, gerade wenn mehrere solcher Zähne in einer Zahnreihe vorkommen und sich ein Treppengebiss gebildet hat, die Kaufähigkeit stark eingeschränkt.

Eine andere Anomalie, die durch eine fehlerhafte Abnutzung bedingt wird, ist die Ausbildung eines Wellengebisses. Dieses kommt meist schon bei jüngeren Eseln sekundär nach Zahnerkrankungen vor und verstärkt sich wiederum mit fortschreitendem Alter.

Alle diese Zahnerkrankungen können nur durch eine sorgfältige Adspektion der Maulhöhle unter Zuhilfenahme von Maulgatter, einer geeigneten Lichtquelle, Spiegeln und Sonden gestellt werden. Häufig ist hierzu eine Sedierung nötig.

Für die Sedation kann auf bewährte Kombinationen von Butorphanol (0,02–0,6 mg/kg KGW) und Detomidin (0,02–0,04 mg/kg KGW) oder Romifidin (0,04–0,12 mg/kg KGW) aus der Pferdepraxis zurückgegriffen werden. Bei schwerwiegenderen Erkrankungen wie z. B. Zahnfrakturen sind mitunter auch bildgebende Verfahren wie Röntgen indiziert.

Gleichwohl kann unter der bestehenden Sedierung mit der Behandlung begonnen werden. Hierfür steht eine Reihe von Raspeln zu Verfügung. Elektrische Raspeln haben den Vorteil, dass kräfteschonender und teilweise filigraner gearbeitet werden kann. Auch wird mit einer gleichzeitigen Spülung der Zahnstaub entfernt und für eine Kühlung des zu bearbeitenden Zahnes gesorgt. Dies wiederum dient dazu, die Eröffnung der Pulpahöhle zu vermeiden.

Eine Eröffnung der Pulpahöhle sollte unter gar keinen Umständen geschehen, um eine Infektion und damit den Verlust des Zahnes zu verhindern. Eine Eröffnung der Pulpahöhle kann auch durch eine zu starke Bearbeitung des Zahnes erfolgen, weshalb nie mehr als 2–3 Millimeter der Zahnsubstanz in einer Sitzung abgetragen werden sollten.

Eine echte Herausforderung stellt deshalb auch evtl. die Entfernung von Karies dar. Diese reicht mitunter tief, und es muss ermittelt werden, ob bereits eine Infektion der Pulpahöhle stattgefunden hat. Ebenso schwerwiegend sind Sagittalfrakturen zu bewerten. Häufig müssen hierbei die betroffenen Zähne gezogen werden, während bei kleineren Absprengfrakturen nur die kleineren Fragmente entfernt, der Rest des Zahnes aber belassen werden sollte.

In die Hand eines Fachmanns gehören die Behandlungen von Diastemata. Hierbei werden neuerdings Zahnfüllungen nach einer gründlichen Reinigung in den Hohlraum eingebracht. Diese müssen alle 2–4 Wochen überprüft und ggf. erneuert werden. Anschließend wird der gegenüberliegende Zahn geringgradig abgetragen, um ein Nachwachsen des Diastema bildenden Zahnes zu gewährleisten und damit einen eigenständigen Verschluss des Zahnes zu erreichen. In schweren Fällen müssen die Lücken häufig so erweitert werden, dass es nicht mehr zu einer Anschoppung von Futterpartikeln kommen kann. Auch schwere Wellen-, Treppen- und Scherengebisse verlangen häufige wiederholte Zahnbehandlungen und können häufig doch nie ganz behoben werden.

Es ist deshalb beim Besitzer darauf hinzuwirken, dass er sich der regelmäßigen Zahnkontrollen und -behandlungen bewusst ist und diese durchführen lässt. Nur so kann Erkrankungen effektiv vorgebeugt, bzw. deren Fortschreiten aufgehalten oder zumindest verlangsamt werden.