Notfallmedizin up2date 2012; 7(3): 181-197
DOI: 10.1055/s-0031-1298303
Allgemeine Prinzipien der Notfallmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Präklinische Triage-Systeme

Klaus Gerlach
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Publication Date:
17 September 2012 (online)

Ein Massenanfall von Verletzten bringt jedes Rettungswesen an seine Grenzen. Dann ist die Triage unumgänglich, um die unzureichenden Ressourcen den dringlichsten Aufgaben zuzuteilen und mit den vorhandenen Mitteln den bestmöglichen Effekt zu erzielen.

Kernaussagen

Sichtungskonzepte. In Deutschland verwendet man für Großschadensereignisse einheitliche Sichtungskategorien. Das Ziel der Sichtung ist, für möglichst viele Patienten eine möglichst hohe Versorgungsqualität zu erreichen. Bei der Sichtung müssen besonders die vital bedrohten Patienten frühzeitig erkannt und ärztlich versorgt werden. Dazu wurden verschiedene Sichtungskonzepte entwickelt, die aber nach wissenschaftlichen Kriterien noch nicht hinreichend untersucht wurden.

Grundsätzlich separiert man bei der Sichtung zunächst die Leicht- und Unverletzten (Phase 1). In Phase 2 identifiziert man die Schwerverletzten nach dem Kriterium „vital bedroht“. Es scheint sich durchzusetzen, dass die Sichtung der Phasen 1 und 2 als Vorsichtung an nichtärztliches Personal delegiert wird – was aber eine entsprechende Ausbildung voraussetzt. Die als vital bedrohten Patienten müssen zügig einer ärztlichen Sichtung und Versorgung zugeführt werden.

Ein Sichtungskonzept muss man in einem Rettungsdienstbereich in Abstimmung mit allen beteiligten Organisationen einführen, da die Komponenten sinnvoll ineinandergreifen und ein stimmiges Gesamtkonzept bilden müssen.

Ereignis unterhalb der Katastrophenschwelle. Bei einem Großschadensereignis unterhalb der Katastrophenschwelle sind Transportwege, Kommunikation und weiterbehandelnde Kliniken uneingeschränkt funktionsfähig und das Ereignis ist zeitlich begrenzt. Im Vordergrund stehen die Behandlung und der Transport der Patienten in adäquate Zielkliniken. Der Dokumentationsaufwand geht nicht über das hinaus, was auf den Patienten- oder Verletztenanhängekarten und in den Übersichtsdokumentationen erfasst werden kann.

Die Übersichtsdokumentation dient dem leitenden Notarzt bei der Lagebewältigung. Sie ermöglicht die gezielte Abarbeitung des Einsatzes unter Berücksichtigung der Versorgungsprioritäten der Patienten. Darüber hinaus ist sie unverzichtbar für die nachträgliche Aufarbeitung jedes Einsatzes.

Ereignis oberhalb der Katastrophenschwelle. Bei einem Großschadensereignis oberhalb der Katastrophenschwelle sind die Möglichkeiten der Helfer über viele Stunden bis Tage eingeschränkt. Die Patienten können über eine längere Zeit nicht in für sie geeignete Kliniken transportiert werden. Mehrfachsichtungen sind notwendig, um Entscheidungen über Versorgungsprioritäten aktualisieren zu können. Der Dokumentationsaufwand ist deshalb größer. Neben den Verletztenanhängekarten muss man Behandlungsprotokolle führen. Die Kategorie IV (keine Überlebenschance) muss der Leiter des zentralen Katastrophendienststabs oder ein von ihm Beauftragter freigeben. Das medizinisch-organisatorische Dokumentationssystem wird durch die Suchdienstkarten ergänzt.

Abbildungen 4–10 und 15–20 als PDF

 
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