Die nekrotisierende Fasziitis ist eine schwere und lebensbedrohliche Weichteilinfektion,
die durch sich foudroyant ausbreitende Nekrosen der betroffenen Faszien und der darüberliegenden
Haut gekennzeichnet ist und durch Mischinfektionen oder seltener durch Streptococcus
pyogenes (Gruppe A-Streptokokken) verursacht wird.
Falldarstellung: Vorstellung einer anamnestisch bisher gesunden 22-jährigen IV-gravida,
II-para in der rechnerisch 39+0 SSW am Abend des 18.07.09 mit starken Schmerzen, Schwellung
und Rötung des rechten Unterschenkels nach Insektenstich am Vortag auf dem Fussrücken.
In der chirurgischen Rettungsstelle zeigten sich nur leicht erhöhte Entzündungswerte
und erhöhte Temperatur (37,5°C). Bei V.a. allergische Reaktion Gabe von 50mg Decortin®,
1 Amp. Fenistil® i.v. und wegen der starken Schmerzen auch 7,5mg Dipidolor® s.c..
Nach Übernahme in den Kreißsaal mit persistierenden Schmerzen und steigenden Temperaturen
(38,6°C) sowie eingeschränkt-tachykardem CTG mit beginnender Wehentätigkeit bei unreifem
Muttermund Gabe von 1,5g Cefuroxim® i.v. sowie symptomatische Therapie mit Cidegol®-Umschlägen
und 1g Peralgan® i.v.; Schon zwei Stunden später Geburt eines lebensfrischen Mädchens
(19.07.09, 03:26 Uhr). Intrapartal jedoch zunehmende Schwellung und diffuse Rötung
und stärkste Beschwerden des rechten Beines. Am Morgen erneute chirurgische Vorstellung
und dopplersonografischer Ausschluss einer tiefen Beinvenenthrombose. Der Lokalbefund
hatte sich auf den Oberschenkel ausgedehnt. Außerdem jetzt demarkierende Hautnekrosen
und beginnende Spannungsblasen. An der Stelle des Insektenstiches über dem Mittelfuß
rechts entleerte sich auf Druck Pus. So wurde wenige Stunden post partum bei V.a.
nekrotisierende Fasziitis die Indikation zur operativen Exploration gestellt. Hier
bestätigte sich der Verdacht einer fulminanten nekrotisierenden Fasziitis und es folgte
ein erstes Wunddebridement mit partieller Faszienresektion und Faszienspaltung. Postoperativ
floride Symptomatik mit Leukozytenanstieg, Fieber und Tachykardie. Am Folgetag erneut
Debridement. Hierbei wegen massiver Schwellung auch Eröffnung der Faszie im Bereich
des Oberschenkels. Intensivstation für 3 Tage. Beginn einer seriellen Behandlung in
der Sauerstoff-Druckkammer unseres Klinikums bis zum 22.7.09. Die mikrobiologischen
intraoperativen Abstriche ergaben S. pyogenes. Erneute chirurgische Evaluierung mit
Verschluss der Inzisionen am Oberschenkel. Am Fußrücken und distalen Unterschenkel
ab dem 24.07.09 neu aufgetretene Nekrosen, die großzügig entfernt wurden. Dann Anlage
eines Vakuumverbandes. Die antibiotische Therapie wurde parenteral mit Penicillin
und Gentamycin durchgeführt.
Streptococcus pyogenes als ursächlicher Keim bei nekrotisierender Fasziitis lässt
sich seltener (15%) als polymikrobielle Infektionen finden, jedoch relativ häufiger
bei Extremitätenbefall. Etwa 150 verschiedene Typen von Oberflächenantigenen sind
für die große Vielfalt der Erkrankungen verantwortlich, die bis zur Sepsis und dem
„streptococcal toxic shock syndrome“ (Letalitätsrate von 30–44%) reichen. Wachsende
Raten und Schwere der nekrotisierenden Fasziitis korrelieren mit steigenden Anteilen
toxinproduziernder Stämme von S. pyogenes. Die Koinzidenz zur Geburt wird in einer
deutschen epidemiologischen Studie mit nur 4,2% angegeben, wobei hier 6 von 9 Fällen
mit Puerperalsepsis eingegangen sind. Die nekrotisierende Fasziitis, hervorgerufen
durch A-Streptokokken, stellt keine typische Erkrankung in der Geburtshilfe dar. Unsere
Patientin entwickelte aus völliger Gesundheit nach minimalem Trauma eine lebensgefährliche
Erkrankung und konnte erst nach knapp zwei Monaten, 19 Debridements, Vakuumversiegelungen
und finaler Mesh-Graft-Hauttransplantation das Krankenhaus verlassen. Die schnelle
Entbindung kann hierbei im Sinne der Patientin gesehen werden. Der Fall zeigt, wie
notwendig schnelles Handeln und adäquate chirurgische sowie medikamentöse Therapie
sind. Ebenso zeigt sich, dass nicht zwingend bekannte Ko-Morbiditäten und typische
ätiologische Faktoren zu diesem Verlauf führen. Man lernt daraus, dass den oben beschriebenen
klinischen Zeichen höchste Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, damit schnell gehandelt
werden kann.
Literaturempfehlung
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Espandar R, Sibdari SY, Rafiee E, Yazdanian S: Necrotizing fasciitis of the extremities:
a prospective study. Strategies Trauma Limb Reconstr 2011 [epub ahead of print].
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Huang KF, Hung MH, Lin YS, Lu CL, Liu C, Chen CC, Lee YH: Independent predictors of
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Hunter J, Quarterman C, Waseem M, Wills A: Diagnosis and management of necrotizing
fasciitis. Br J Hosp Med (Lond) 2011; 72: 391–395.
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Lee KY, Sim JA, Lee SW, Kim TB, Yoon SJ, Park KS, Kim KH: Necrotizing fasciitis following
transobturator tape procedure: a case report and literature review. Can Urol Assoc
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Pour SM: Use of negative pressure wound therapy with silver base dressing for necrotizing
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