Geburtshilfe Frauenheilkd 2011; 71 - B6
DOI: 10.1055/s-0031-1295374

Das Syndrom polyzystischer Ovarien (PCO-Syndrom, PCOS) – neue Entwicklungen in Diagnostik und Therapie

J Bartley 1
  • 1Berlin-Mitte

Das PCOS ist ein sehr heterogenes Syndrom. Nach der als „Rotterdam-Kriterien“ bekannten Definition müssen zwei der folgenden drei Kriterien erfüllt sein: a) die Oligomenorrhoe oder eine Amenorrhoe; b) Vorliegen einer biologischen und/oder biochemischen Hyperandrogenämie oder/und c) PCO-Bild im Ultraschall (>12 Follikel von 2–9mm Größe, Volumen >10cm3). Das metabolische Syndrom ist in der vierten Lebensdekade bei 40% der Frauen mit PCOS nachzuweisen; es ist aber kein Kriterium für die Diagnose des PCOS.

Endokrinologisch finden wir Veränderung auf allen Ebenen der hypothalamischen-hypophysären-ovariallen Achse. Der hypothalamische Pulsgenerator ist beschleunigt. Dies führt zu einer vermehrten Ausschüttung von LH und damit zu einer Erhöhung der LH/FSH Ratio. LH stimuliert im Ovar in den Thekazellen Enzyme der Androgensynthese, so dass vermehrt Androstendion und Testosteron gebildet werden. Durch den relativen FSH-Mangel werden verhältnismäßig wenig Androgene in Estrogene aromatisiert, was das Überwiegen der Androgene nochmals verstärkt. Eine ausreichende Versorgung mit Estrogenen ist beim PCOS aber immer gewährleistet.

Welche Hormonbestimmungen machen in der Praxis zur Diagnose des PCOS Sinn?

Eine routinemäßige Bestimmung von LH/FSH nicht sinnvoll. Durch die pulsatile Ausschüttung lässt sich in nur etwa 50% der Frauen mit PCOS eine erhöhte Ratio nachweisen lässt und nur etwa 40% der Frauen mit einem hohen LH haben ein PCOS.

Misst man alle vier Androgene Androstendion, Testosteron, freies Testosteron und DHEAS, wird man in 10% aller Testpersonen eine Hyperandrogenämie feststellen und dies führt zu einer „Überdiagnostik“. Daher ist derzeit Konsens sich auf eine Bestimmung des Testosterons, wenn möglich in der frühen Follikelphase, zu beschränken. Wegen der pulsatilen Ausschüttung des Testosterons sollten idealer weise drei Proben im Abstand von jeweils 20 Minuten abgenommen und gemischt werden. Dies ist in der täglichen Praxis aber nicht immer umsetzbar.

Es gibt zwei wichtige „Verstärker“ der Hyperandrogenämie beim PCOS: SHBG und Insulin. SHBG bindet das freie Testosteron und macht es biologisch inaktiv. SHBG ist infolge der Hyperandrogenämie und Übergewichtigkeit beim PCOS oft erniedrigt. Dadurch erhöht sich der Anteil an freiem und damit biologisch wirksamem Testosteron.

Durch die enge Assoziation des PCOS mit dem metabolischen Syndrom findet man häufig eine Insulinerhöhung: Insulin stimuliert synergistisch mit LH die Thekazellen und erniedrigt- wie oben erwähnt – das SHBG. Wegen des hohen Risikos eine Glukoseintoleranz zu entwickeln, sollte man einmal jährlich eine nüchtern Glukose/Insulin Bestimmung, ggf. auch einen OGTT durchführen. Das PCOS ist immer eine „Ausschlussdiagnose“. Durch die Bestimmung von 17-Hydroxyprogesteron, Prolaktin und TSH können die häufigsten weiteren Ursachen der Hyperandrogenämie bzw. Oligomenorrhoe abgeklärt werden, nämlich das Adrenogenitale Syndrom, die Hyperprolaktinämie und Schilddrüsenfunktionsstörung.

Das Anti-Müller-Hormon (AMH) ist bei Frauen mit PCOS um das 2–3fache erhöht. AMH wird in den Granulosazellen der kleinen Antralfollikel <10mm gebildet und hemmt die Wirkung des FSH. Dies verhindert ein „unkontrolliertes“ Follikelwachstum und zufrühe Erschöpfung der Eizellreserve. Die AMH-Erhöhung beim PCOS hat man zunächst mit der größeren Anzahl der Antralfollikel erklärt, heute nimmt man aber an, dass sie Folge einer stark erhöhten AMH-Produktion in den einzelnen Granulosazellen ist und besonders ausgeprägt ist dies bei Frauen mit einem anovulatorischen PCOS.

Verschiedene Ursachen für die Entstehung des PCOS werden diskutiert. Es gibt eine familiäre Häufung und es sind eine Reihe genetischer Defekte bekannt, die mit der Ausbildung eines PCOS assoziiert sind, z.B. Defekte in der Steroidbiosynthese. Aber es gibt bisher keinen genetischen Defekt, der zwingend zu einem PCOS führt. Auch die intrauterine Androgenexposition wird als Ursache diskutiert, die möglicherweise durch eine epigenetische Modifikation der DNA zur Ausbildung des PCOS führt.

Man kann aber davon ausgehen, dass Frauen mit einem PCOS vor dem zivilisatorischen Zeitalter wenigstens zwei Selektionsvorteile hatte: sie konnten „Vorräte ansetzen“ und Hungerszeiten bessern durchstehen. Die Oligoovulation war ein „Schutz“ vor Schwangerschaft und Geburt, die – ohne moderne Medizin – lebensbedrohlich für die Frauen waren.

Klinische Folgen des PCOS können in reproduktive Folgen und metabolische Folgen eingeteilt werden. Die Bedeutung und Therapie des metabolischen Syndroms sind heute abend Thema eines anderen Vortrags, so dass sich die weiteren Ausführungen auf die reproduktiven Folgen beschränken werden: Schon in der Adoleszenz kann das PCOS zu schweren Störungen führen, wie der frühen Pubarche oder primären Amenorrhoe. Diese Mädchen sollten durch Spezialisten betreut werden. Häufige Probleme des PCOS sind dagegen Akne, Hirsutismus, Oligomenorrhoe und die Neigung zur Gewichtszunahme. Dies Folgen treffen junge Mädchen schwer: ein „teenager“ möchte bestimmt keine Pickel und Bartwuchs haben und das dickste Mädchen der Klasse sein. Dies alles beeinträchtigt das „Selbstvertrauen“ junger Mädchen und sollte daher konsequent behandelt werden. Die Akne kann durch vier Substanzgruppen, der antiandrogenen hormonellen Therapie, Antibiotika, topischen und systemischen Retinoiden meist sehr erfolgreich behandelt werden. Manchmal ist eine multidisziplinäre Zusammenarbeit mit Dermatologen notwendig.

Für die antiandrogene Therapie der Akne stehen uns drei Präparate zur Verfügung: die kombinierte Pille, Cyproteronacetat in der Pille oder Monotherapie und Spironolacton.

Die kombinierte Pille führt über die Hemmung der ovariellen Steroidbiosynthese auch zu einer Hemmung der Androgensynthese. Das Ethinylestradiol führt zu einem deutlichen Anstieg des SHBG und damit einer Reduktion des freien Testosterons.

Pillenpräparate die Gestagene mit antiandrogener Partialwirkung enthalten, also Cyproteronactat (CPA) oder Drospirenon (DRS) sind besser wirksam als andere Gestagene. Pillen mit CPA können zusätzlich mit weiterem CPA (5–10mg D1–15 der Packung) kombiniert werden. Sind Estrogene kontraindziert kann man auch eine Monotherapie mit CPA mit 50–100g vom 1–10 Zyklustag erfolgen. Mit diesem Schema habe Frauen weiterhin eine regelmäßige Blutung, denn rezidivierende Durchbruchblutungen unter CPA sind relativ häufig und führen oft zum Abbruch der Therapie. Spironolakton ist in Deutschland ein „vergessenes“ Antiandrogen. Es bewirkt eine Blockade des Androgenrezeptors und Reduktion der Androgensynthese. In niedrigen Dosen von nur 25–100mg hat es eine ähnlich gute Wirkung wie die Pille. Nebenwirkungen sind in diesen Dosen sehr selten und Spironolakton ist eine gute Alternative, wenn die Pille nicht vertragen wird oder kontraindiziert ist. Es kann aber bei schwerer Akne auch gut mit der Pille kombiniert werden und beide Substanzen wirken dann auf die Akne synergistisch. Der Hirsutismus und die Alopezie werden ebenfalls die kombinierten Pillen mit CPA oder Drospirenon oder Spironolakton eingesetzt. Die Haare lassen sich aber in der Regel schwerer behandeln als die Haut. Die Körperbehaarung an den Beinen oder Armen ist durch eine Antiandrogene Therapie meistens gar nicht zu verringern und der Behandlungserfolg bei der Alopezie ist wiederum schlechter als beim Hirsutismus. Die antiandrogen Wirkung zeigt sich an den Haaren auch erst nach etwa 6–9 Monaten, erste Erfolge frühestens nach 3 Monaten und die üblichen therapeutischen Dosen von CPA und Spironolacton sind zur Behandlung des Hirsutismus und der Alopezie höher als bei der Akne. Zwei topische Therapeutika stehen uns nun zur Behandlung von Haarprobleme zur Verfügung: Vaniqa® (Eflornithin) zur Behandlung von Hirsutismus und Minoxidil zur Behandlung des Haarausfall. Vaniqa® kann aber nur auf kleine Areale aufgetragen werden und wird daher meist nur zur Behandlung im Gesicht verwendet.

Die Oligo- oder Anovulation ist bei Frauen mit aktuellem Kinderwunsch meistens gut zu behandeln. Die kumulative Schwangerschaftsrate mit den üblichen Stimulationprotokollen liegt bei 78%, wenn zusätzlich IVF angeboten wird bei 83%. An erster Stelle sollte immer eine Gewichtsreduktion stehen, denn schon eine Gewichtsreduktion um 5–10% des Körpergewichts führt in mehr als 55% zu einer Wiederherstellung regelmäßiger ovulatorischer Zyklen. Große Hoffnung wurde in das Antidiabetikum Metformin auch zur Behandlung der Anovulation gesetzt. Die Ergebnisse sind leider ernüchternd: unter Metformin kommt es nur zu einer zusätzlichen Ovulation in 5 Monaten. Aber die Kombination von Metformin mit Clomifen kann sinnvoll sein und die Schwangerschafts- und Lebendgeburtsraten verbessern und das Risiko eines Überstimulationssyndroms (OHSS) verringern. Zur Ovulationsinduktion beim PCOS wird Clomifen von vielen Fachgesellschaften weiterhin als Mittel der ersten Wahl genannt. Wegen der Gefahr des OHSS sollte mit einer „low dose“ von 50mg ab dem 2.-5. Zyklustag begonnen werden, die dann schrittweise auf bis zu 150mg erhöht werden kann. Etwa 20% der Pat. sind Clomifenresistent. Ein Nachteil des Clomifens ist die antiöstrogene Wirkung auf den Cervixschleim und das Endometrium, ein Problem, das bei Aromatasehemmern und Gonadotropinen nicht besteht. Der Aromatasehemmer Letrozol (2,5–5mg ab dem 2–5. CT) kommt zu vergleichbar guten Ergebnissen wie Clomifen, aber mit einer deutlich niedrigeren Rate von Mehrlingsschwangerschaften. Letrozol führt auch bei vielen Frauen mit Clomifen-Resistenz noch zu einer Ovulation. Werden Gonadotropine zur Ovulationsstimulation eingesetzt sollte wegen der Gefahr des OHSS das low-dose step-up Protokoll bewährt. Eine gute Überwachung ist bei jeder Ovulationsstimulation zur Diagnose eines OHSS und des Risikos auf Mehrlingsschwangerschaften unbedingt notwendig. Sollte eine Pat. mit den üblichen Stimulationsprotokollen nicht schwanger werden ist dies eine mögliche Indikation für IVF.

Eine zu oft vergessene Methode ist das „ovarian drilling“. Bei mehr als der Hällfte der Patientinnen mit Resistenz auf übliche Stimulationsprotokolle kann dadurch eine Schwangerschaft erreicht werden. Es sollten nicht mehr als 4–5 Punktionen pro Ovar mit einer monopolaren Nadel erfolgen. Von mehr Punktionen oder einem wiederholten „ovarian drilling“ wird wegen der Gefahr des Klimax praecox abgeraten. Eine weitere wichtige gynäkologische Verantwortung ist die Prävention des Endometriumkarzinoms bei Frauen mit PCOS. Alle bekannten Risikofaktoren des Korpuskarzinoms – der „Gestagenmangel“ infolge der selteneren Ovualtionen, Hypertonus, Übergewicht und Diabetes – sind diesen Frauen häufig. Nach wie vor gibt es keinen Konsenz, wie viele Ovulationen pro Jahr einen ausreichenden Gestagenschutz für das Endometrium bieten. Wenn weniger als sechs Blutungen pro Jahr stattfinden, dann sollten sicherlich großzügig Gestagene verabreicht werden. Alle Gestagenhaltigen Kontrazeptiva haben eine protektive Wirkung auf das Endometrium, ein Effekt, der auch noch viele Jahre nach Absetzen des Gestagens nachweisebar ist. Der Ultraschall, Pipellebiopsien aber auch die ambulante Hysteroskopie sind mittlerweile wenig invasive Methoden, die uns zur Überwachung zur Verfügung stehen und hier großzügig eingesetzt werden sollten.

Literaturempfehlung

  • Bhathena RK: Insulin resistance and the long-term consequences of polycystic ovary syndrome. J Obstet Gynaecol 2011; 31:105–110.

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