Z Geburtshilfe Neonatol 2011; 215 - FV14_05
DOI: 10.1055/s-0031-1293292

Langzeitentwicklung von Kindern mit pränatal diagnostizierter Agenesie des Corpus callosum (ACC)

JH Stupin 1, V Raile 2, H Freitag 2, IB Fuchs 3, M Berns 4, W Henrich 1
  • 1Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Klinik für Geburtsmedizin, Berlin
  • 2Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Sozialpädiatrisches Zentrum, Berlin
  • 3Zentrum für Pränataldiagnostik, Ku-damm 199, Berlin
  • 4Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Klinik für Neonatologie, Berlin

Ziel: Eine ACC tritt mit einer Inzidenz von 0,3–0,7% auf. Ihre Ausprägung variiert bei den betroffenen Kindern zwischen asymptomatischem Erscheinungsbild und schweren neurologischen Beeinträchtigungen. Ziel war, Schwangerschaftsausgang und Langzeitentwicklung anhand standardisierter Entwicklungstests bei Kindern mit pränatal diagnostizierter ACC zu untersuchen, um Aussagen für eine fundierte pränatalmedizinische Beratung zu erhalten.

Methodik: Die Akten von Schwangeren mit pränatal diagnostizierten ACC zwischen 2000–2010 wurden ausgewertet. Die Bestätigung erfolgte durch prä- oder postnatales MRT bzw. Autopsie. Der neurologische Entwicklungsstand wurde durch klinische Untersuchung mittels Intelligenz- und Entwicklungstests (Bayley, HAWIK IV) und Erfassung des adaptiven Verhaltens (Vineland Scales) erhoben. Als neurologische Endparameter wurden kognitive und motorische Entwicklung definiert.

Ergebnis: Bei 31 Feten wurde pränatal eine ACC (komplett 55%, partiell 45%) diagnostiziert. Assoziierte Fehlbildungen waren u.a. Spina bifida und Dandy-Walker-Malformation. Ein Abbruch erfolgte in 22%. Lebendgeboren wurden 24 Kinder, 2 verstarben postnatal. Ein Follow-up liegt für 18 Kinder (isolierte ACC n=8, assoziierter Hydrozephalus n=10) vor, davon wurden 10 entsprechend des Protokolls nachuntersucht. Die Entwicklung war normal (IQ>85, motorisch altersgerecht) oder moderat gestört (IQ 70–84, leichte Koordinationsstörung der Grob- und Feinmotorik, freies Laufen) in 55% der Kinder mit isolierter ACC und 64% mit assoziiertem Hydrozephalus, unabhängig davon, ob die ACC komplett oder partiell auftrat.

Schlussfolgerung: Die Entwicklung von Kindern mit ACC zeigt eine große Bandbreite. Ein assoziierter Hydrozephalus wirkte sich nicht zwingend negativ auf die kognitive Entwicklung aus. Bei isolierter ACC traten in der Hälfte der Fälle schwere Entwicklungsstörungen auf. Allein aus der pränatalen Diagnostik lassen sich keine hinreichenden Rückschlüsse auf die Langzeitentwicklung ziehen.

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