„Nun ja, es gäbe nur eine einzige Frau, die mich heilen könnte, und das wäre Meg Patterson mit ihrer Black-Box-Therapie, die über elektrische Impulse funktionierte. Meg Patterson lebte in Hongkong, konnte aber in die Staaten kommen ...“ So berichtet der schwer suchtkranke und von der amerikanischen Justiz unter Druck gesetzte Rolling Stone Keith Richard in seiner Biografie (Life, S. 522).
Die schottische Neurochirurgin Margret (Meg) Patterson hatte bei ihrer Tätigkeit in Hongkong in den 1960er Jahren eher zufällig eine Entdeckung gemacht. Da Opiumkonsum in China damals verbreitet war, waren Opiatentzugssymptome bei Patienten, die stationär im Krankenhaus aufgenommen werden mussten, häufig. Patterson fiel auf, dass alle die neurochirurgischen Patienten, die mit einer bestimmten Form der Elektroakupunktur narkotisiert und postoperativ schmerztherapiert worden waren, keine Opiatentzugssymptome zeigten. Mit ihrem chinesischen Kollegen H. L. Wen und anderen begann, sie dieses Phänomen systematisch zu erforschen und daraus eine neue Entzugsmethode (Patterson 1992) zu entwickeln. Dabei wurden schwache elektrische Ströme meist über retroaurikuläre Punkte eingesetzt (zu den Grundsätzen der cranialen Elektrotherapie vgl. Smith 2007). Zurückgekehrt nach Europa entwickelte sich in den 1970er und 80er Jahren dann ein regelrechter Medien-Hype, da sie mit ihrer Methode prominente Sucht-Patienten wie Pete Townsend, Keith Richard und Eric Clapton entgiftete. Aus dieser Zeit resultieren auch zahllose Studien (umfassender Überblick bei Mahmood et al. 2005).
Patterson starb 2002, die Methode geriet in Vergessenheit.
Die seit 2009 in Deutschland mit dem Einsatz der NES bei Entgiftung gemachten Erfahrungen zeigen, dass die NES eine ambulante, substanzfreie, aber dennoch gut funktionierende Alternative zur herkömmlichen klassisch-stationären Entgiftung darstellt. Neben Heroin, Methadon, Buprenorphin, retardierten Morphinen und opioiden Schmerzmitteln sind auch Entgiftungen von Kokain, Cannabis, Alkohol und Benzodiazepinen möglich.
Bei den 5 Tage dauernden Entgiftungen gibt es neben der zentralen NES weitere wichtige methodische Elemente (Seminarbausteine):
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Aufklärung und Einverständniserklärung
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die Beachtung der Kontraindikationen
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die Vorbereitung auf das Seminar
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der Einsatz des NEScure-Gerätes (mit je nach Substanz differenzierten Frequenzen)
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der Einsatz von acht verhaltensmodifizierenden Modulen mit der Methode des Motivational Interviewing (Was wird mir gut tun?, Zielformulierung, Alternativ-Verhalten, Unterstützung, Verhaltensmodifikation, Problemlösung, Neue Clean-Identität, Rückfall-Prophylaxe)
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die zusammenfassende Auswertung der Module und daraus die Erstellung individualisierter „Knackpunkte“
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die Angebote zur Nachbehandlung und der Versuch der Organisation einer qualifizierten Nachbetreuung.
Die Teilnehmer werden kontinuierlich ärztlich und von speziell geschulten medizinischen Assistenz-Kräften (NES-Practioner) betreut. Zusätzlich wird mindestens zwei Mal täglich ein detaillierter Entzugs-Score (analog OOWS) erhoben.
Zusammenfassend sind die therapeutischen Effekte der Methode und die Zufriedenheit der Patienten extrem beeindruckend.
Erste Ergebnisse sind
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eine Drop-out-Rate nahe Null
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schnelle Überwindung des Entzugstiefpunktes bereits am 2. oder 3. Tag
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gute Langzeitwirkung
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keine gravierenden Nebenwirkungen
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und nahezu ausschließlich zu Beginn skeptische und am Ende zufriedene Patienten.
Literatur:
[1] Mahmood MA, Macdonald AJR, Law FD. Treatment of Patients with Addiction Problems by Means of Electrical Stimulation: A Review of the Rationale and Studies, for AWP Clinical & Practice Governance Effectiveness and Therapeutics Committee; 2005 http://www.nescure.de/page34/files/Review_Electrostimulation.pdf
[2] Patterson M. Der sanfte Entzug. Ein neues biomedizinisches Verfahren. Stuttgart: Klett-Cotta; 1992
[3] Smith RB. Cranial Electrotherapy Stimulation. Oklahoma: Tate Publishing; 2007