Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2011; 18(05): 242-243
DOI: 10.1055/s-0031-1292007
DGMM-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

ICMA-Tagung in Hamburg, 19. bis 23. August 2011 – Weltkonferenz der International Christian Maritime Association

Further Information

Publication History

Publication Date:
18 October 2011 (online)

Zoom Image

Was ist "Maritime Theologie" und was macht eigentlich ein festangestellter Seemannspriester auf den italienischen Costa-Schiffen? Was leisten die Seemannsmissionen weltweit, um Seefahrer psychisch und geistlich nach einem Piratenangriff aufzufangen? Welche Sozialangebote brauchen Seeleute auf Kreuzfahrtschiffen und wie funktioniert die ärztliche Seemannssprechstunde im Hamburger Seemannsclub "Duckdalben"?

Zu diesen und vielen anderen Themen kamen vom 19. bis 23. August 2011 Vertreter von Seemannsmissionen aus aller Welt in Hamburg zusammen.

Die International Christian Maritime Association (ICMA) ist ein Dachverband von 28 verschiedenen christlichen Kirchen und Vereinigungen. Die Mitglieder unterhalten weltweit 526 Seefahrtseinrichtungen in 126 Ländern. So unterschiedlich die Einrichtungen sind, verbindet diese das gemeinsame Ziel, Seefahrer durch soziale Dienste und Einrichtungen sowie vor allem durch ökumenische Angebote zu unterstützen. In Hamburg gehören unter anderem die katholische Stella Maris und die evangelische Seemannsmission zur ICMA. Die evangelische Seemannsmission Hamburg war Gastgeberin dieses großen internationalen Treffens, das unter dem Motto "Promoting Seafarerʼs Dignity" tagte.

Zoom Image
Abb. 2 An Bord der "Cap San Diego".
Zoom Image
Abb. 3 Von links: Dr. Schlaich (Leiterin HPHC, DGMM-Vorstandsmitglied), Kapitän Pöllmann (Hafenkapitän Hamburg), Dr. Ergle (Lettland, IMHA Board Member), Dr. Schepers (Vorsitzender DGMM) und Dr. Idnani (Indien, Präsident der IMHA).

Heil und Heilung sind in der christlichen Theologie eng miteinander verbunden, wie sie sich in den Heilungsgeschichten Jesu und der Geschichte der Diakonie darstellen. So war es naheliegend, dass die Gastgeber der 10. ICMA-Konferenz, allen voran Seemannspastorin Heike Spiegelberg aus Hamburg, das Thema der medizinischen Versorgung von Seeleuten im größeren Kontext der Seemannsfürsorge, der "Seafarerʼs Welfare", als ein gemeinsames Anliegen der Seemmansmissionen und der Schifffahrtsmedizin präsentierten. Gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen für Seeleute, darin waren sich alle Anwesenden einig, sind nicht auf medizinische Notfallversorgung und Unfallprävention auf Schiffen zu beschränken. Es geht um ein komplexes Ineinanderwirken von Faktoren, die die Gesundheit und das Wohlbefinden der Seeleute fördern. Dazu gehören auch der Zugang zu Kommunikation, faire Löhne und Verträge, medizinische Versorgung unter Wahrung der Schweigepflicht und vieles weitere mehr.

Es verwundert also nicht, dass auf diesem Treffen der ICMA prominente Vertreter der Schifffahrtsmedizin als Teilnehmer Gäste und Redner anwesend waren: Der Präsident der International Maritime Health Association (IMHA), Dr. med. Suresh Idnani aus Goa, stellte Wohlfahrtsprojekte für Seeleute in seiner Heimat Indien und die Aktivitäten der IMHA vor. Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Maritime Medizin, Dr. med. Bernd-Fred Schepers, und Dr. med. Andra Ergle aus Lettland (IMHA) sowie die DGMM-Mitglieder Dr. med Karl-Peter Faesecke und Dr. med. Clara Schlaich nahmen am beeindruckenden ökumenischen Eröffnungsgottesdienst und dem anschließenden Empfang auf der "Cap San Diego" teil.

Frau Dr. med. Schlaich, Leiterin des Hamburg Port Health Center und Vorstandsmitglied der DGMM, hielt einen Vortrag gemeinsam mit Jan Oltmanns, Diakon und Leiter des Hamburger Seemannsclub Duckdalben, zu ihrem gemeinsamen Projekt, dem "Seafarerʼs Health Counseling". Bereits im dritten Jahr führt das Hamburg Port Health Center eine kostenlose, vertrauliche und anonyme Sprechstunde für Seeleute im Seemannsclub "Duckdalben" durch. An jedem Montagabend können sich Seeleute ärztlich untersuchen und zu Gesundheitsfragen beraten lassen. Auch erhalten sie bei Bedarf weiterführende Diagnostik und Therapie für Geschlechtskrankheiten vor Ort. Besonders vorteilhaft sei, so Dr. Schlaich, dass durch die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Seemannsclubs die seelsorgerliche und psycho-soziale Beratung der Seeleute durch das ärztliche Angebot ergänzt wird. Im Anschluss an den Vortrag entfaltete sich eine anregende Diskussion, insbesondere auch zum Schutz der persönlichen Daten der Seeleute, der im Bordalltag oft eingeschränkt ist. Wie viele Anwesende aus ihrer Arbeit oder ihrer eigenen Erfahrung als Seeleute berichteten, können Seeleute einen Arzt häufig nur dann aufsuchen, wenn der Kapitän, also der Dienstvorgesetzte, der Hafenagent sowie der Versicherer vom Arztbesuch und damit meist auch über Diagnose und Therapie informiert werden. Für den Kapitän ist nachvollziehbar von besonderem Interesse die Frage der weiteren Tauglichkeit des erkrankten Seemanns; bei einer entsprechenden Diagnose droht also unmittelbar der Verlust des Arbeitsplatzes. Demgegenüber kann das "Seafarerʼs Health Counseling" im Seemannsclub, den die Seeleute über den Fahrdienst des Clubs kostenlos erreichen, anonym während des Besuchs dort wahrgenommen werden. Es ist ein niedrig schwelliges Angebot des Hamburger Öffentlichen Gesundheitsdienstes, der damit seiner traditionellen Aufgabe der "Geschlechtskrankheitenfürsorge für Seeleute" nachkommt und gleichzeitig ein präventiv orientiertes medizinisches Beratungsangebot vorhält, das allerdings hinsichtlich weiterführender Diagnostik und Therapie limitiert ist. Mehrere ausländische Seemannsmissionen, aus New Jersey (USA), Lome (Togo) und weitere, äußerten Interesse, das Hamburger Modell umzusetzen. Frau Dr. Schlaich wies darauf hin, dass dabei überlegt werden muss, wer die ärztlichen Partner vor Ort werden. Aus ihrer Sicht sind das klare Rollenverständnis der Ärzte als Gäste der Einrichtungen der Seemannsmission, die vertrauensvolle und freundschaftliche Kommunikation zwischen den dort tätigen Mitarbeitern und den Schwestern und Ärzten des "Seafarerʼs Health Counseling" sowie die Regelmäßigkeit des Angebots bedeutsamer als zum Beispiel die technische Ausstattung.

Diese Diskussion setzte sich wenig später auf dem Kongress der International Maritime Health Association (IMHA) in Odessa, Ukraine, fort, an dem auch der Präsident der ICMA, Douglas B. Stevenson vom "Seamenʼs Church Institute of New York and New Jersey", teilnahm und auf dem insbesondere das Thema der psychischen und körperlichen Folgen der Piraterie für Seeleute einen breiten Raum einnahm. Neben der inhaltlichen Arbeit war die ICMA-Weltkonferenz von einem harmonischen Miteinander geprägt und von dem Leitmotiv getragen, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Seeleute zu verstehen und zu verbessern.

Dr. Clara Schlaich, Leiterin Hamburg Port Health Center,
Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin

Clara.Schlaich@bgv.hamburg.de