Dialyse aktuell 2011; 15(7): 377
DOI: 10.1055/s-0031-1289119
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das kardiorenale Anämiesyndrom

Stefan Anker
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Publication Date:
09 September 2011 (online)

Die Fortschritte der modernen Medizin haben in vielen Bereichen zu einer besseren Lebenserwartung und/oder zu einer besseren Lebensqualität der Patienten geführt. Weitere Fortschritte sind scheinbar schwer zu erreichen. Ein Weg dorthin führt über ein besseres pathophysiologisch begründetes Verständnis chronischer Erkrankungen, begleitet von präziseren Diagnosen, insbesondere zu den Komorbiditäten der Patienten.

Seit einigen Jahren wird intensiv sowohl in der Kardiologie als auch in der Nephrologie über das kardiorenale Syndrom (CRS: ”Cardio-Renal Syndrome“) als pathophysiologische Einheit oder auch als Komorbidität diskutiert. Die ersten Konsensusdokumente zum CRS wurden auf Initiative der ADQI-Gruppe (ADQI: ”Acute Dialysis Quality Initiative“) erstellt und sind inzwischen gut publiziert und viel zitiert.

Ich hatte die Chance, 2008 in einem Kloster in Venedig dabei zu sein: So habe ich erlebt, wie sogar der Begriff ”kardiorenales Syndrom“ selbst Gegenstand einer mehrstündigen Diskussion wurde. Dass das Herz im gemeinsamen Namen vor der Niere steht wurde nicht verändert (obwohl das durchaus einige wollten). Aber es wird von allen Seiten anerkannt, dass dies einzig und allein historisch (und damit durchaus auch zufällig) begründet ist – einen rationalen Grund dafür gibt es nicht. Ein einziges einheitliches kardiorenales Syndrom existiert nicht, vielmehr hat sich das Konzept der 5 CRS-Typen durchgesetzt. Jetzt wird dieses um den Begriff der Anämie zum ”kardiorenalen Anämiesyndrom“ erweitert, das (aus deutschsprachiger Sicht) wenig ästhetisch abgekürzt in der Literatur als CRAS (”Cardio-Renal Anemia Syndrome“) bezeichnet wird.

In dieser Ausgabe der Dialyse aktuell finden Sie 3 Artikel zu diesem wichtigen und aktuellen Thema der Medizin. Prof. Eberhard Ritz, Heidelberg, stellt übersichtlich dar, was CRAS eigentlich ist. Er spannt dabei die Brücke von der Pathophysiologie zur Epidemiologie und Therapie. Im Folgenden werden dann aus nephrologischer und kardiologischer Sicht besondere Probleme, die es in der Betreuung von Patienten mit CRAS gibt, diskutiert. Diese Beiträge stammen aus der Feder von Dr. Stephan von Haehling, Berlin, aus dem kardiologischen Lager bzw. von PD Sylvia Stracke, Greifswald, und Prof. Kamyar Kalantar-Zadeh, Torrance (USA), für die nephrologische Seite. Diese 3 Arbeiten bilden zusammen den Stand des Wissens umfassend ab. Besonders wichtig für die tägliche Arbeit des klinisch tätigen Arztes erscheint die Diskussion der Studienlage zu Erythropoese stimulierender Agenzien (ESA) wie Erythropoetin und Darbepoetin alfa bei Patienten mit Anämie und chronischer Niereninsuffizienz und/oder mit chronischer Herzinsuffizienz sowie die Darstellung der neuesten Ergebnisse im Bereich der Therapie mit intravenösem Eisen verschiedener Art.

Der Schlüssel zu einem weiteren medizinischen Fortschritt liegt aus meiner Sicht in einem besseren pathophysiologischen Verständnis des Zusammenspiels von Erythropoetin, Eisen und dem Zellenergiestoffwechsel und damit therapeutisch vor allem bei Kombinationstherapien. Die aktuelle Ausgabe von Dialyse aktuell mit ihren 3 ausgezeichnet referierten Diskussionsbeiträgen ist ein weiterer Schritt im notwendigen Diskussionsprozess in die richtige Richtung.